Ford Transcontinental (H-Serie)

Baujahre: 1975-1984, Produktion in Amsterdam/NL und Sandbach/GB, insg. 8.735 Stück
Motoren: 14 Liter Sechszylinder Cummins Reihen-Turbodiesel
Getriebe: Fuller 9- bzw. 13-Gang Getriebe, Heckantrieb

Ford Transcontinental
Ford Transcontinental

Zu Beginn der 70er Jahren sah es für Ford im Nutzfahrzeugsegment gut aus. Vom erfolgreichen Transit reichte das Angebot über die A- bis zur größeren D-Serie. Nur bei den schweren LKW war Ford nicht vertreten, obwohl einige Varianten der D-Serie bis 29,5 Tonnen hinauf reichten.
Das Entwicklungsteam im englischen Dunton machte sich an die Planung eines 42-Tonners. Man untersuchte sowohl die Ausweitung der D-Serie als auch eine Übernahme der amerikanischen W-Serie. Doch zum Schluß entschied man sich für eine komplette Neuentwicklung, der H-Serie.
Qualität und Zuverlässigkeit hießen die beiden wichtigsten Attribute für den neuen LKW. Ab 1973 spulten die ersten Prototypen ihre Testkilometer zwischen den europäischen Ford Standorten ab. Auf eigene Komponenten konnte Ford bei der Entwicklung nicht zurückgreifen, einzig die 7-Tonnen Vorderachse wurde der D-Serie entliehen und Chassis-Längsträger der L-Serie aus Louisville (USA) konnten angepaßt werden. Der Rest kam von Zulieferern. Den Antrieb baute Ford nach amerikanischem Vorbild nach: Cummins Motoren, Spicer Kupplung, Fuller Roadranger Getriebe und Rockwell Achsen. Alles Garanten für eine hohe Lebensdauer.
Für das Fahrerhaus wurde es schwieriger. Im eigenen Haus war keine Kabine für den Langstreckeneinsatz vorhanden. Nach einigen Verhandlungen war jedoch Berliet im französischen Vénissieux bereit das neue TR-Führerhaus an Ford zu liefern. Die für damalige Verhältnisse sehr hoch montierte Kabine erregte großes Aufsehen und erhielt schnell den Spitznamen „Die rollende Wand”.

Obwohl die Entwicklung der H-Serie in England lief, wurde Amsterdam als Produktionsstandort gewählt. Hier war die PKW-Produktion praktisch beendet und es wurde nur noch die N-Serie für den deutschen Markt montiert. Für den neuen Transcontinental wurde am Nordseekanal ordentlich investiert. Neue Gebäude mit insg. 12.000 Quadratmeter Fläche wurden gebaut und das Werksgelände auf 98.000 Quadratmeter vergrößert. Auch eine neue Teststrecke war in den Investitionen von rund 60 Millionen Gulden enthalten.
Die Fabrik lag mitten im Hauptabsatzgebiet der H-Serie.

Die Kabinen kamen fertig geschweißt, aber unlackiert und nur durch ein dünne Ölschicht vor Rost geschützt von Berliet. In Amsterdam wurden sie entfettet, gereinigt, in einem Elektrophoresebad grundiert und lackiert. Das Fahrgestell wurde nicht geschweißt. Die aus den USA angelieferten Längsträger wurden je nach Radstand gekürzt, gebohrt und miteinander verschraubt. Die ganze Montage fand auf einem 72 Meter langem Fließband statt. Man plante eine Produktion von 7.000 LKW pro Jahr.

Am 30. April 1975 wurde die H-Serie in Amsterdam der Öffentlichkeit offiziell als Ford Transcontinental vorgestellt. Die ersten Fahrzeuge gingen an britische und deutsche Kunden. Ab September 1975 zog die "Transcontinental Show" acht Wochen lang quer durch Holland. Viele der örtlichen Ford Händler interessierten sich für den Vertrieb der neuen LKW, doch nur drei "Key-Dealer" durften die Cummins Motoren warten.

Die Motoren zeichneten sich durch Vierventil Zylinderköpfe (ein gemeinsamer Zylinderkopf jeweils für zwei Zylinder) und die PT Hochdruck Einspritzanlage mit im Block plazierten Einspritzdüsen aus. Der Ventilator lief nur mit, wenn er gebraucht wurde.
Über die Spicer Zweischeibenkupplung mit druckluftunterstützten hydraulischen Betätigung wurde die Leistung an das Fuller Getriebe übertragen. Serienmäßig wurde der Typ RT 9509 mit neun Gängen verbaut, auf Wunsch kam aber auch das RTO 9513 mit dreizehn Gängen zum Einsatz.
Die Transconti mit 4x2 Antrieb hatten eine 11,5 Tonnen Rockwell R180 Hinterachse mit einfacher Untersetzung, die durch ihr großes Tellerrad mit 50 cm Durchmesser auffiel. Das Differential war mit einer Sperre ausgerüstet. Für Belgien und Frankreich wurde die 13-Tonnen U180 Achse verwendet. Bei den 6x4 Modellen kann eine 18-Tonnen Rockwell SHD/SHR Tandemachse mit sperrbaren Zwischendifferential zum Einsatz.

Obwohl von der Konstrukteuren schon Parabelfedern entwickelt wurden entschied sich Ford schließlich für klassische halb-elliptische Blattfedern eines niederländischen Lieferanten. Stoßdämpfer und Stabilisatoren fanden sich an Vorder- und Hinterachsen.
Außergewöhnlich waren die Burman Lenkung mit doppelter Servo-Unterstützung und die auf Vorder- und Hinterachse wirkende Feststellbremse.

Ab 1976 ergänzte eine 6x2 Version die Modellpalette. Das 4x2 Fahrgestell mit einem Radstand von 4.267 mm wurde mit einer luftgefederten und anhebbaren Sauer Schleppachse ausgestattet.

Ford sorgte für größtmögliche Wartungsfreiheit. Der große Motorölvorrat und gute Filter dehnten die Wechselintervalle für den Cummins auf 20.000 km aus. Die komplette Elektrik war zweiadrig, d.h. die Masserückführung erfolgte durch den Kabelbaum und beugte so evtl. Kontaktschwierigkeiten vor. Vier 6-Volt Batterien speisen das 24 Volt Bordspannungssystem, nur die Hauptscheinwerfer arbeiten mit 12 Volt. Es gab auch keine Schmelzsicherungen, sondern automatische Schütze.

Der Innenraum wurde nach ergonomischen Gesichtpunkten gestaltet und setzte neue Maßstäbe in Sachen Platz, Übersichtlichkeit und Ergonomie. Der Transcontinental Berliet montierte die Kabine bei ihrem Centaure TR280 Modellen direkt auf das Chassis, Ford fand diese Lösung nicht besonders gut und schütze den Fahrer durch eine Vierpunktfederung vor unerwünschten Vibrationen. Das recht hoch montierte Führerhaus kam auch ohne Ausbuchtung für den Motor aus und das obwohl der Cummins-Diesel höher baut als der Berliet V8. Trotzdem blieb aber kein Platz mehr für eine Jacobs-Bremse, der Transcontinental mußte mit einer normalen Auspuffklappe als Motorbremse auskommen.

Anfangs lief der Verkauf von Fords neuem Fernverkehrs-LKW recht gut. Schon ein Jahr nach Markteinführung lief das 1.000ste Exemplar vom Band. Danach ging das Interesse der Kunden zurück, obwohl der Wagen sich schon einen guten Ruf erarbeitet hatte. Mittlerweile waren viele attraktive Konkurrenten aus den Markt gekommen: Bedford TM, Berliet TR 280, DAF F2800, Leyland Marathon, MAN 19.320 FT, Mercedes-Benz 1932, Scania LB 141 und Volvo F12.
Größter Schwachpunkt des Ford war sein hoher Gewicht. Ein 4x2 mit 3,5 m Meter Radstand wog leer mindestens 6.860 kg. Ein vergleichbarer DAF brachte 350 kg weniger auf die Waage. In Belgien und Frankreich, wo damals noch 19 Tonnen Gesamtgewicht für eine Zugmaschine zugelassen waren mag das kein Problem gewesen sein, in den anderen europäischen Ländern jedoch schon.
Zudem war der Transconti mit einem Verbrauch von rund 40 l/100km für einen 38-Tonnen Zug im Vergleich zu den modernen Mitbewerbern nicht gerade sparsam.

Ford arbeitete an Verbesserungen, die in die leichtere und sparsamere Serie II einflossen. Ende 1978 wurde dieses Modell auf dem Pariser Salon vorgestellt. Die am schwarz lackierten Kühlergrill erkennbaren Fahrzeuge waren mit 10% verbrauchsgünstigeren Cummins E-Serie Big Cam 14-Liter Motoren ausgerüstet:

NTE 290(255) mit 244 DIN-PS bei 1.900 U/min
NTE 290(335) mit 274 DIN-PS bei 1.900 U/min
NTE 350(335) mit 320 DIN-PS bei 1.900 U/min
NTE 370(335) mit 352 DIN-PS bei 2.100 U/min

"Big Cam" steht dabei für die dickere Nockenwellen, geänderten Turbo und Wasserpumpe. Der restliche Antriebsstrang blieb unverändert. Nur die R180 Hinterachse der 4x2 Version wurde durch die leichtere R70 ersetzt. In der Bremsanlage wurde der Luftdruck um 17% erhöht, zusammen mit einem neuen Bremspedalventil griffen die Bremsen nun besser. Die merkwürdige Lenkung und die Federung wurden auch überarbeitet. Insgesamt war die Serie II so rund 200 kg leichter als die ursprüngliche Version, zudem konnten die Wartungsintervalle bei einigen Motoren auf 30.000 km ausgedehnt werden.

Ford hatte sein Bestes gegeben um einen erfolgreichen Fernverkehrs-LKW auf den Markt zu bringen. Später wurde der Rostschutz für die Kabine noch durch einen Kataphoreseprozeß verbessert. Dennoch kam man nie auf die anvisierten 7.000 LKW pro Jahr.
In der Wirtschaftskrise 1982 stellte Ford in den Niederlanden die Produktion ein. Die letzten 504 Transcontinental wurden bei Sandbach Engineering in England montiert, der ehemaligen Foden Fabrik, die 1980 in Konkurs ging und dann von Paccar erworben wurde. Kennzeichnet die frühen Modelle noch ein großer FORD Schriftzug, so ging man später auch hier zur bekannten "Pflaume" über. Insgesamt wurden in den neun Jahren 8.735 Ford Transcontinental gebaut. Ford war es nie gelungen eine wirkliche Alternative im Segment der schweren LKW anzubieten, denn man hat den Vertrieb schwerer LKW nur halbherzig organisiert und hatte somit gegen die etablierten Nutzfahrzeug Hersteller keine Chance. Einige Kunden hielten ihnen dennoch sehr lange die Treue, gelten die LKW mit ihrem amerikanischen Motoren doch als nahezu unverwüstlich. Die Kabine lebte noch in der Renault R-Serie weiter, nachdem der französische Staatskonzern Berliet geschluckt hatte.

[<< N-Serie] | [Home] | [Cargo] | [IVECO TurboStar >>]