Ford Transcontinental
Zu Beginn der 70er Jahren sah
es für Ford im Nutzfahrzeugsegment gut aus. Vom erfolgreichen
Transit reichte das Angebot über die A- bis zur größeren
D-Serie. Nur bei den schweren LKW war Ford nicht
vertreten, obwohl einige Varianten der D-Serie bis 29,5 Tonnen hinauf reichten.
Das Entwicklungsteam im englischen Dunton machte sich an die Planung eines
42-Tonners. Man untersuchte sowohl die Ausweitung der D-Serie als auch eine
Übernahme der amerikanischen W-Serie. Doch zum Schluß entschied
man sich für eine komplette Neuentwicklung, der H-Serie.
Qualität und Zuverlässigkeit hießen die beiden wichtigsten
Attribute für den neuen LKW. Ab 1973 spulten die ersten Prototypen ihre
Testkilometer zwischen den europäischen Ford Standorten ab. Auf eigene
Komponenten konnte Ford bei der Entwicklung nicht zurückgreifen, einzig
die 7-Tonnen Vorderachse wurde der D-Serie entliehen und Chassis-Längsträger
der L-Serie aus Louisville (USA) konnten angepaßt werden. Der Rest
kam von Zulieferern. Den Antrieb baute Ford nach amerikanischem Vorbild nach:
Cummins Motoren, Spicer Kupplung, Fuller Roadranger Getriebe und Rockwell Achsen.
Alles Garanten für eine hohe Lebensdauer.
Für das Fahrerhaus wurde es schwieriger. Im eigenen Haus war keine
Kabine
für den Langstreckeneinsatz vorhanden. Nach einigen Verhandlungen war
jedoch Berliet im französischen Vénissieux bereit das neue
TR-Führerhaus
an Ford zu liefern. Die für damalige Verhältnisse sehr hoch montierte
Kabine erregte großes Aufsehen und erhielt schnell den Spitznamen „Die
rollende Wand”.
Obwohl die Entwicklung der H-Serie in England lief, wurde
Amsterdam als Produktionsstandort gewählt. Hier war die PKW-Produktion
praktisch beendet und es wurde nur noch die N-Serie
für den deutschen Markt montiert. Für den neuen Transcontinental
wurde am Nordseekanal ordentlich investiert. Neue Gebäude mit insg.
12.000 Quadratmeter Fläche wurden gebaut und das Werksgelände auf
98.000 Quadratmeter vergrößert. Auch eine neue Teststrecke war
in den Investitionen von rund 60 Millionen Gulden enthalten.
Die Fabrik lag mitten im Hauptabsatzgebiet der H-Serie.
Die Kabinen kamen fertig geschweißt, aber unlackiert und nur durch
ein dünne Ölschicht vor Rost geschützt von Berliet. In Amsterdam
wurden sie entfettet, gereinigt, in einem Elektrophoresebad grundiert und
lackiert. Das Fahrgestell wurde nicht geschweißt. Die aus den USA angelieferten
Längsträger wurden je nach Radstand gekürzt, gebohrt und miteinander
verschraubt. Die ganze Montage fand auf einem 72 Meter langem Fließband
statt. Man plante eine Produktion von 7.000 LKW pro Jahr.
Am 30. April 1975 wurde die H-Serie in Amsterdam der
Öffentlichkeit
offiziell als Ford Transcontinental vorgestellt. Die ersten Fahrzeuge
gingen
an britische und deutsche Kunden. Ab September 1975 zog die
"Transcontinental
Show" acht Wochen lang quer durch Holland. Viele der örtlichen
Ford
Händler interessierten sich für den Vertrieb der neuen LKW,
doch nur drei "Key-Dealer" durften die Cummins Motoren warten.
Die Motoren zeichneten sich durch Vierventil Zylinderköpfe (ein gemeinsamer Zylinderkopf
jeweils für zwei Zylinder) und die PT Hochdruck Einspritzanlage mit
im Block plazierten Einspritzdüsen aus. Der Ventilator lief nur mit,
wenn er gebraucht wurde.
Über die Spicer Zweischeibenkupplung mit druckluftunterstützten
hydraulischen Betätigung wurde die Leistung an das Fuller Getriebe übertragen.
Serienmäßig wurde der Typ RT 9509 mit neun Gängen verbaut,
auf Wunsch kam aber auch das RTO 9513 mit dreizehn Gängen zum Einsatz.
Die Transconti mit 4x2 Antrieb hatten eine 11,5 Tonnen Rockwell R180 Hinterachse
mit einfacher Untersetzung, die durch ihr großes Tellerrad mit 50 cm
Durchmesser auffiel. Das Differential war mit einer Sperre ausgerüstet.
Für Belgien und Frankreich wurde die 13-Tonnen U180 Achse verwendet.
Bei den 6x4 Modellen kann eine 18-Tonnen Rockwell SHD/SHR Tandemachse mit
sperrbaren Zwischendifferential zum Einsatz.
Obwohl von der Konstrukteuren schon Parabelfedern entwickelt wurden entschied
sich Ford schließlich für klassische halb-elliptische Blattfedern
eines niederländischen Lieferanten. Stoßdämpfer und Stabilisatoren
fanden sich an Vorder- und Hinterachsen.
Außergewöhnlich waren die Burman Lenkung mit doppelter Servo-Unterstützung
und die auf Vorder- und Hinterachse wirkende Feststellbremse.
Ab 1976 ergänzte eine 6x2 Version die Modellpalette. Das 4x2 Fahrgestell
mit einem Radstand von 4.267 mm wurde mit einer luftgefederten und anhebbaren
Sauer Schleppachse ausgestattet.
Ford sorgte für größtmögliche Wartungsfreiheit. Der
große Motorölvorrat und gute Filter dehnten die Wechselintervalle
für den Cummins auf 20.000 km aus. Die komplette Elektrik war zweiadrig,
d.h. die Masserückführung erfolgte durch den Kabelbaum und beugte
so evtl. Kontaktschwierigkeiten vor. Vier 6-Volt Batterien speisen das 24
Volt Bordspannungssystem, nur die Hauptscheinwerfer arbeiten mit 12 Volt.
Es gab auch keine Schmelzsicherungen, sondern automatische Schütze.
Der Innenraum wurde nach ergonomischen Gesichtpunkten gestaltet und setzte
neue Maßstäbe in Sachen Platz, Übersichtlichkeit und Ergonomie.
Der Transcontinental Berliet montierte die Kabine bei ihrem Centaure TR280
Modellen direkt auf das Chassis, Ford fand diese Lösung nicht besonders
gut und schütze den Fahrer durch eine Vierpunktfederung vor unerwünschten
Vibrationen. Das recht hoch montierte Führerhaus kam auch ohne Ausbuchtung
für den Motor aus und das obwohl der Cummins-Diesel höher baut
als der Berliet V8. Trotzdem blieb aber kein Platz mehr für eine Jacobs-Bremse,
der Transcontinental mußte mit einer normalen Auspuffklappe als Motorbremse
auskommen.
Anfangs lief der Verkauf von Fords neuem Fernverkehrs-LKW recht gut. Schon
ein Jahr nach Markteinführung lief das 1.000ste Exemplar vom Band. Danach
ging das Interesse der Kunden zurück, obwohl der Wagen sich schon einen
guten Ruf erarbeitet hatte. Mittlerweile waren viele attraktive Konkurrenten
aus den Markt gekommen: Bedford TM, Berliet TR 280, DAF F2800, Leyland Marathon,
MAN 19.320 FT, Mercedes-Benz 1932, Scania LB 141 und Volvo F12.
Größter Schwachpunkt des Ford war sein hoher Gewicht. Ein 4x2
mit 3,5 m Meter Radstand wog leer mindestens 6.860 kg. Ein vergleichbarer
DAF brachte 350 kg weniger auf die Waage. In Belgien und Frankreich, wo damals
noch 19 Tonnen Gesamtgewicht für eine Zugmaschine zugelassen waren mag
das kein Problem gewesen sein, in den anderen europäischen Ländern
jedoch schon.
Zudem war der Transconti mit einem Verbrauch von rund 40 l/100km für
einen 38-Tonnen Zug im Vergleich zu den modernen Mitbewerbern nicht gerade
sparsam.
Ford arbeitete an Verbesserungen, die in die leichtere und sparsamere Serie
II einflossen. Ende 1978 wurde dieses Modell auf dem Pariser Salon vorgestellt.
Die am schwarz lackierten Kühlergrill erkennbaren Fahrzeuge waren mit
10% verbrauchsgünstigeren Cummins E-Serie Big Cam 14-Liter Motoren ausgerüstet:
NTE 290(255) mit 244 DIN-PS bei 1.900 U/min
NTE 290(335) mit 274 DIN-PS bei 1.900 U/min
NTE 350(335) mit 320 DIN-PS bei 1.900 U/min
NTE 370(335) mit 352 DIN-PS bei 2.100 U/min
"Big Cam" steht dabei für
die dickere Nockenwellen, geänderten Turbo und Wasserpumpe. Der restliche
Antriebsstrang blieb unverändert. Nur die R180 Hinterachse der 4x2 Version
wurde durch die leichtere R70 ersetzt. In der Bremsanlage wurde der Luftdruck
um 17% erhöht, zusammen mit einem neuen Bremspedalventil griffen die
Bremsen nun besser. Die merkwürdige Lenkung und die Federung wurden
auch überarbeitet. Insgesamt war die Serie II so rund 200 kg leichter
als die ursprüngliche Version, zudem konnten die Wartungsintervalle
bei einigen Motoren auf 30.000 km ausgedehnt werden.
Ford hatte sein Bestes gegeben um einen erfolgreichen Fernverkehrs-LKW auf
den Markt zu bringen. Später wurde der Rostschutz für die Kabine
noch durch einen Kataphoreseprozeß verbessert. Dennoch kam man nie
auf die anvisierten 7.000 LKW pro Jahr.
In der Wirtschaftskrise 1982 stellte Ford in den Niederlanden die Produktion
ein. Die letzten 504 Transcontinental wurden bei Sandbach Engineering in
England montiert, der ehemaligen Foden Fabrik, die 1980 in Konkurs ging und
dann von Paccar erworben wurde. Kennzeichnet die frühen Modelle noch
ein großer FORD Schriftzug, so ging man später auch hier zur bekannten
"Pflaume" über. Insgesamt wurden in den neun Jahren 8.735 Ford Transcontinental
gebaut. Ford war es nie gelungen eine wirkliche Alternative im Segment der
schweren LKW anzubieten, denn man hat den Vertrieb schwerer LKW nur halbherzig
organisiert und hatte somit gegen die etablierten Nutzfahrzeug Hersteller
keine Chance. Einige Kunden hielten ihnen dennoch sehr lange die Treue,
gelten die LKW mit ihrem amerikanischen Motoren doch als nahezu unverwüstlich.
Die Kabine lebte noch in der Renault R-Serie weiter, nachdem der französische
Staatskonzern Berliet geschluckt hatte.