Ford Niederlande

Um 1903 wurde in Amsterdam ein Ford Verkaufsbüro eröffnet. Leider ist heute unbekannt um welches Unternehmen es sich dabei handelt. 1906/7 taucht Werbung für die Modelle N und K in Zeitungen wie "De Kampioen" und "De Auto" auf. 1909 wird das erste T-Modell in den Niederlanden verkauft. Vier T-Modelle werden 1911 von der Firma Veth und Söhne (einem Karosseriebaubetrieb in Arnheim) aus Belgien importiert.1912 eröffnet Ford eine offizielle Niederlassung in Utrecht. L.Wilson & Co. ließ von C. Steemeijer un Zaandam zerlegte Ford, die aus Amerika angeliefert wurden, zusammenbauen. Ein paar Jahre später zieht der Betrieb nach Amsterdam um und ändert seinen Namen in Ford Automobile Company. Bis 1916 konnten einige hundert Ford verkauft werden.

Doch durch den Ersten Weltkrieg sank der Absatz und die Firma wurde von H.C.L. Sieberg übernommen. 1918 bekam Sieberg einen 3-Jahres Exklusivvertrag als einziger Ford Händler in Holland. Er ernannte Vertreter in allen Provinzen und der Absatz stieg von 300 Autos im Jahr 1919 auf 900 im Jahr darauf. Ab 1922 standen auch die Modelle von Lincoln, englische Ford und Traktoren im Programm. Selbst die Ford Trimotor Flugzeuge werden angeboten. Die Niederlande gehörten nun zur Verantwortung von Ford Antwerpen in Belgien.

1924 wurden die Aktivitäten im Ausland neu organisiert. Bis dahin mussten die holländischen Händler ihre Fahrzeuge zeitaufwändig selbst in Antwerpen abholen. Die Belgier beschwerten sich im Gegenzug, daß viele Fahrzeuge nicht pünktlich abgeholt wurden. Die am 6. März 1924 gegründete Ford Motor Company of Holland N.V. hatte zum Start 55 Beschäftigte und ihren Sitz zunächst in einem Rotterdamer Hotel. Man mietete ein leerstehendes Fabrikgebäude in der Van Helmontstraat auf fünf Jahre an, wo Autos ausgestellt und gewartet werden konnten.
Die Ford wurden auf Leichtern von Antwerpen nach Rotterdam auf dem Wasserweg verschickt und im Keilehaven nahe des Gebäudes entladen. Jedes Boot hatte eine Kapazität von 60 bis zu 125 Fahrzeugen, die LKW standen an Deck. 

Ford Rotterdam war damals nicht mehr als ein Verkaufsbüro mit ca. 50 - 80 Angestellten. Dennoch war man recht erfolgreich: 1928 betrug der Marktanteil rund 40 % - wohl auch weil es kaum Konkurrenten und heimische Hersteller gab. Vier Jahre später belegte Ford bei der ersten offiziellen Zählung des Fahrzeugbestands in den Niederlanden mit 12.336 Autos den ersten Platz unter den Herstellern.
1928 wurde die Firma in die NV Nederlandsche Ford Automobiel Fabriek umgewandelt. Ford England hält einen Mehrheitsanteil von 60 Prozent der Aktien. Man entschied sich auch eine eigene Fertigung aufzubauen und suchte ein geeignetes Gelände in Rotterdam, die Stadt bot jedoch nur Flächen zur Miete an. Das gleiche Problem stellte sich in Amsterdam. Nach langwierigen Verhandlungen erwarb man schließlich ein Gelände gegenüber den angemieteten Gebäude in Rotterdam, das jedoch keinen Anschluss an Wasserstraßen hatte. Ende 1929 begannen die Bauarbeiten. Das Werk war komplett in USA entworfen worden und weil Henry Ford schon zur Grundsteinlegung im Werk Köln nach Europa reiste lud man ihn auch nach Rotterdam ein.
Sein Besuch am 3./4. Oktober 1930 erregte großes Medieninteresse. Vor Ort fragte er verwundert wo denn der Hafen sein, waren doch alle anderen Ford Werke direkt am Wasser gelegen. Einige Quellen berichten sogar, daß Ford selbst sich weigerte Rotterdam zu besuchen, weil ihm dort ein am Meer gelegenes Gelände verweigert wurde. Tatsache ist jedoch, daß die Grundsteinlegung nie stattfand. Henry Ford selbst äußerte sich nie zu den Hintergründen. Seine Enttäuschung scheint um so verständlicher, konnte er doch bei einer Bootsfahrt auf der Maas die direkt am Wasser gelegenen Werften und die Ölanlagen von Shell sehen. Ford lehnte also jegliche Investitionen in Rotterdam ab. Schließlich verkaufte dann doch die Stadt Amsterdam gegen ihre Prinzipien ein Areal im Westhafen nahe der Hem Brücke. Überzeugt haben die Stadtväter wohl die 1.500 Arbeitsplätze, ein wichtiges Argument in der damaligen Wirtschaftskrise. So zierte holländische Ford Modelle damals auch eine Plakette am Kühlergrill, die auf den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit hinwies.

Die Räumlichkeiten in Rotterdam wurden verlassen, nur ein Teil blieb als Ausstellungsraum für den dortigen Händler erhalten. Die Straße heißt jedoch bis heute "Henry Ford Straat".

Ford Werk Amsterdam
Ford Werk Amsterdam
Ford Werk Amsterdam

Im Oktober 1931 wurden in Amsterdam die ersten Pfeiler in die Boden gerammt und schon im September 1932 begann die Produktion. Zuerst bestand noch kein direkter Wasseranschluss, die aus England und den USA angelieferten Kisten wurden an einem Kai in der Nähe entladen. Das Werk bestand aus eine zweistöckigen Halle mit anliegenden Büros. Die Karosserien wurden zusammengeschweißt, geschliffen, lackiert und dann wurden Fenster und Türen montiert. Danach wurde im Erdgeschoss der Aufbau auf das Fahrgestell gesetzt. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs liefen dort täglich Autos vom Band, darunter auch das Ford A-Modell.

Ford V8 gewinnt Preis in Zandvoort
zweiter Preis in seiner Klasse für dieses Ford V8 "Cabriolet-de-Grand-Luxe"

Selbst bei den Schönheitswettbewerben im Seebad Zandvoort können die eleganten Ford V8 einige Erfolge erringen. Prinz Bernhard fuhr Ford V8, verunglückte 1937 bei Diemen schwer mit seinem Cabriolet.

Vor 1940 konnten rund 3.000 Autos im Jahre gebaut werden, 1950 schon 5.000 und 1965 sogar 25.000. Dabei stieg die Anzahl der Mitarbeiter von 300 im Jahr 1932 auf 1.300 1965.

Die Arbeit am Band war hart und es wurde viel Wert auf Disziplin gelegt, doch Ford zahlte gut. Trotz der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahre lief der Absatz bis Kriegsausbruch recht gut. Vor allem mit dem kleinen Modell-Y gelang es viele ehemalige Motorradfahrer als Kunden zu gewinnen. Dennoch sank der Marktanteil, obwohl die amerikanischen Autohersteller die niederländischen Markt immer noch dominierten.

Im Krieg ging die Fertigung weiter. Der deutsche Robert H. Schmidt, Generaldirektor der Ford Werke Köln,  wurde im Juni 1940 als Verwalter eingesetzt. Die Lieferungen aus USA und England wurden natürlich eingestellt, man konzentrierte sich fortan auf Montage und Wartung Kölner Ford LKW. Kurz vor Kriegsende wurden noch etliche Maschinen nach Köln deportiert, aber schon 1946 wieder zurückgegeben.
Ansonsten blieb das Werk unbeschädigt. Wohl auch weil die Alliierten englische und amerikanische Einrichtungen nicht bombardieren wollten. Wenig bekannt ist, daß die ersten DAF (Van Doorne Automobiefabriek) auf Ford LKW Chassis als offener Kübelwagen (pantserafweergeschut "PAK trekker") und auch mit DAFs patentierter Trado-Achse basierten.

Schon am 27. Mai 1947 verließ der erste Nachkriegs V8 das Werk Amsterdam. Man kämpfte jedoch immer noch mit Lieferengpässen. Die Rationierung von PKW (mit Ausnahme von Taxen) zwang sogar zu einem mehrmonatigen Produktionstop. Man nützte die Zeit für eine Renovierung. Mit dem Erlös aus dem Verkauf des Geländes in Rotterdam erweiterte man die Gebäude um ein Teilelager.
Der holländische Markt brauchte dringend Neuwagen. Ford lieferte sowohl deutsche, französische, englische als auch amerikanische Modelle. Rund 200 Händler verkauften PKW, LKW und Traktoren. Dennoch konnte man den Bedarf nicht decken, was auch auf veraltete Anlagen in Amsterdam zurückzuführen ist. So wurde 1955 das Werk erneut komplett modernisiert. Nun verließen Zephyr, Consul, Prefect, Anglia, Taunus 12M, Taunus 15M und LKW die Hallen. Zudem wurden Kölner Ford Modelle auf Rechtslenkung für den Export in Commonwealth-Länder wie z.B. Süd-Afrika umgerüstet. Die Produktion amerikanischer PKW wurde ab 1955 eingestellt, nur US-LKW wurden noch montiert. Erst nach einer erneuten Erweiterung im Jahr 1965 kamen bis 1967 wieder Galaxie, Fairlane, Mercury Comet und Mustang aus Amsterdam. Ab 1967 hauptsächlich Cortina Deluxe für den englischen Markt.

Nun wurden Arbeitskräfte knapp. 1962 wurden erste Gastarbeiter aus Spanien eingestellt, später auch aus Marokko und der Türkei. Die Eingliederung gestaltet sich nicht ganz unproblematisch. Noch im gleichen Jahr legten die Spanier kurzzeitig die Arbeit nieder, zwei Jahre später kam es zu einem dreitägigen Streik.

Trotz der Verkaufserfolge machten Gerüchte um eine Schließung ab 1967 die Runde. Mit Gründung von Ford Europa blieb kein Platz für Amsterdam. Das Werk wurde mehr und mehr zu einer "Puffer"-Fabrik. Escort, Taunus und N-Serie wurden in kleinen Stückzahlen mit Verlust montiert, ab 1978 nur noch Nutzfahrzeuge wie Transcontinental und Transit.
1971 bemühte man sich um eine Motorenfertigung, doch das Geschäft ging an die Engländer.
Der Anteil von Gastarbeitern in der Fertigung lag 1973 bereits bei 45 Prozent, die Zusammenarbeit mit den Einheimischen gestaltet sich zunehmend schwieriger. Die Gewerkschaften bemühten sich um eine Lösung der Konflikte, doch im September 1977 kam es erneut zum Streik. Die Fluktuation der Mitarbeiter und der Krankenstand waren hoch.
Deutsche Ford wurden mittlerweile beliebter als die englischen Modelle, die Produktionsanlagen in Amsterdam waren jedoch besser für die PKW von der Insel gerüstet. Anders verhielt es sich bei den Nutzfahrzeugen. Eine interne Studie hatte bereits 1967 belegt, daß Amsterdam günstiger fertigte als die Werke in Frankreich oder Deutschland.

Ford Transcontinental neben einem Escort auf dem Prüfgelände im belgischen Lommel
Ford Transcontinental neben einem Escort auf dem Prüfgelände im belgischen Lommel

Ab 1971 wurde das Segment von 7 bis 14,5 Tonnen komplett Amsterdam zugesprochen. Eine komplett neue Fertigungslinie wurde gebaut. 1971-73 verließen 20 D-Serien LKW das Werk pro Tag. Durch die Ölkrise bedingt stoppte die Produktion und man baute ab sofort die schwerere N-Serie für den deutschen Markt.

Auch der neue schwere H-Serie LKW Transcontinental sollte in Amsterdam gebaut werden, erfüllte jedoch bei weitem nicht die Erwartungen.
Zudem wurde 1978 die PKW Produktion komplett eingestellt und Kurzarbeit angeordnet. Das Werk war nur noch zu 40% ausgelastet. Am 28. August 1979 wurde der Betriebsrat über die prekäre finanzielle Situation informiert. Ab September 1980 machte wieder Gerüchte um eine Werksschließung die Runde und nur ein Kredit von Ford USA hat dies wohl verhindert.
Ein interner Bericht nennt für jeden gebauten Transcontinental einen Verlust von 23.315 Gulden und 1.356 für jeden Transit. Das Management präsentierte im April 1981 folgenden Plan: Stop der Fertigung von Transcontinental und Transit ab September, Reduzierung der Mitarbeiter um 1.325 auf insg. 1.650, Beibehaltung von Verkauf und Service, jedoch Verkauf der Anlagen und Umzug in neue Bürogebäude. Zwei Tage später wurde das Werk überraschend von Gewerkschaftsmitgliedern besetzt. Verhandlungen über die Zukunft des Werks begannen und führten zu einer Einigung. Die Werksschließung wurde verschoben. Dennoch wurden die Gebäude kurze Zeit später erneut besetzt. Das Management zog vor Gericht und wollte die Besetzung als rechtswidrig erklären lassen, im Gegenzug klagten die Gewerkschafter die Führung der Misswirtschaft an. Im Juli 1981 wurde das Urteil verkündet: Ford musste alle Pläne zur Schließung einstellen, die Gewerkschaften haben die Belagerung des Werks sofort aufzugeben.
Ford suchte nach Alternativen für Amsterdam, doch die Streiks und der Rechtsstreit haben die Verluste nur noch mehr in die Höhe getrieben. Gleichzeitig ging man in Berufung und bekam Recht. Die Schließung war nun nicht mehr aufzuhalten und sogar der Verkauf stand auf dem Spiel. Im November 1981 verließ der letzte Transit das Werk vor der Schließung.  Wie beabsichtigt zog Ford in ein neues Bürogebäude am Amsteldijk um, die Belegschaft sank auf nur noch 240 Mitarbeiter.Ford Niederlande blieb jedoch als nationale Vertriebsorganisation mit einem ausgedehnten Netz von Händlern und Servicepartnern im ganzen Land aktiv.

Durch die Übernahme der Volvo PKW Sparte erbte Ford auch das niederländische Jointventure NedCar mit Mitsubishi. Mittlerweile wurden die Anteile an diesem Werk jedoch wieder verkauft.

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