Ford's Karosserieschneider (Teil 7) - Migö

 

 

Als Christian H. Mittelgöker am 3. Mai 1990 im hohen Alter von 96 Jahren starb, konnten sich selbst in seiner Heimatstadt Köln nur noch sehr wenige Menschen daran erinnern, daß dieser Mann unter dem Firmennamen Migö von Köln-Ehrenfeld aus 44 Jahre lang qualitativ hochwertigen Karosseriebau betrieben hatte. Während zumindest seine Cabrio- Kreationen auf Ford-Fahrgestellen zahlreichen Pkw-Liebhabern bis heute ein Begriff sind, wissen nur Eingeweihte, daß  Migö einen Großteil seiner Einkünfte mit Aufbauten für Nutzfahrzeuge aller Art.

 

Am 12.04.1894 war Christian Mittelgöker im lippischen Schieder geboren worden. Im Alter von 15 Jahren verschlug es ihn nach  Bremen-Lesum, wo er im Betrieb seines Onkels eine Lehre als Stellmacher begann. Nach erfolgreichem Besuch der Ingenieursschulen in Hamburg und Köthen/Anhalt besuchte er schließlich die Wagenbauschule in Hannover. Seine erste Anstellung erhielt er als Leiter eines hannoverschen Wagenbaubetriebs. In den darauffolgenden Jahren schlossen sich weitere Beschäftigungsverhältnisse an, bis es ihn schließlich nach Köln verschlug, wo er bei Karosserie Deutsch im Stadtteil Braunsfeld als Betriebsleiter eingestellt wurde. Doch der ehrgeizige Ingenieur konnte sich bei Deutsch nicht so verwirklichen, wie er es sich vorgestellt hatte. Den ersten Schritt in die Selbstständigkeit machte er schließlich im Jahr 1926, als er sein erstes eigenes Fahrzeug, ein Cabriolet auf Basis des Mercedes-Benz Typ 300, 12/55 PS karossierte. Mit dieser Kreation gewann er postwendend den 1. Preis bei einer Schönheitskonkurrenz in Bad Neuenahr. 1926 war auch das Gründungsjahr der Firma Migö. in der Venloer Straße 193A errichtete Mittelgöker seine erste Werkstatt, die aber bereits 1929 in die Mechternstraße verlegt wurde. Dort blieb man bis 1936, ehe der stetig anwachsende Auftragseingang nach Expansion verlangte. Ford hatte in Köln- Niehl 1931 mit der Produktion eigener Kraftfahrzeuge begonnen und suchte nun nach Partnern. Christian Mittelgöker kaufte schließlich an der Oskar- Jäger-Strasse 168 in Köln-Ehrenfeld ein 2800 Quadratmeter großes, bebautes Industriegelände, das bis dahin der Daimler-Benz AG als Reparaturwerkstatt und Ersatzteillager gedient hatte.

 

Damit befand Mittelgöker sich nun in unmittelbarer Nachbarschaft seines ehemaligen Arbeitgebers Karl Deutsch. Doch er konnte sich nicht nur gegenüber Deutsch behaupten, auch den anderen traditionsreichen Kölner Karosseriebetrieben Hall, Peter Bauer,Papler, Plasswilm und Wilhelm jagte er ein Stück des großen Auftragskuchens ab. Neben den Ford-Aufträgen waren es ab 1932 vor allem gute Ideen, mit denen Mittelgöker Geld verdiente. Etwa der sogenannte "Migö”-Koffer", ein an die Karosserie anbaubares Heckteil, das wie ein Kofferraum von außen beladen werden konnte - ein un- schätzbarer Vorzug in einer Zeit, als die meisten Autos überhaupt keinen geschlossenen Kofferraum besaßen. In Serie angeboten wurden auch praktische Umbauten wie der verlängerte Kasten- oder Kombiwagen mit großer Hecktür auf dem Chassis der Ford Eifel- Cabriolimousine. Doch die Migö-Angebotspalette jener Jahre war noch deutlich umfangreicher: vom Golde- Faltschiebedach für den Mercedes 170 bis zum Ford V8 Kombi mit Naturholzaufbau war beinahe alles möglich.

 

 

Das Betriebsgelände in der Oskar-Jäger- Straße

 

Freiluft-Lager: Nach Kriegsende lief die Produktion unter primitiven Verhältnissen wieder an.

 

Das Geschäft mit den Nutzfahrzeugaufbauten lief erst nach Ende des Krieges richtig an. Zwar hatte Mittelgöker bereits zuvor vereinzelte Pritschen oder landwirtschaftliche Anhänger gezimmert, doch erst mit der Übernahme von Vertretungen für Webasto, Meiller-Kipper und Golde, sowie der Gründung einer Generalvertretung für Normag-Schlepper zu Beginn der fünfziger Jahre hatte Migö auch unter Nutzfahrzeugkunden bald einen Namen.

 

Buckeltaunus Cabriolet

 

FK 3500 Diesel mit Aluminium Kofferaufbau für eine Duisburger Papierfabrik

 

 

Unter dem  Namen Mittelgöker & Co. KG hatte der Firmengründer zudem ein weiteres Unternehmen auf die Beine gestellt, das sich mit Einbau und Vertrieb von Generatoren befasste. Vergleichsweise bekannt wurde Migö allerdings mit einem Pkw: Nachdem Ford seinen neuen Taunus, vom Volksmund bald "Buckel-Taunus" getauft, präsentiert hatte, ließ das entsprechende Migö-Cabrio nicht lange auf sich warten. Der Taunus mit Migö-Karosserie verkaufte sich insgesamt 430 Mal und wurde damit zur erfolgreichsten Kreation Mittelgökers überhaupt. Charakteristisch für diesen Umbau waren die weit in die Türen gezogenen Kotflügel.

 

Henschel F 161 AK Kipper

 

Allein von der insgesamt geringen Zahl an Pkw-Umbauten konnte Migö aber auf Dauer nicht leben. Aus diesem Grund forcierte Mittelgöker das Geschäft mit den Nutzfahrzeugproduzenten. Ob auf Mercedes, Magirus, Borgward oder Renault, Migö fertigte Sonderaufbauten aller Art, baute Hochdächer für Transporter oder kümmerte sich um branchenspezifische Innenaus- bauten. Auch zahllose Anhänger verließen die Hallen an der Oskar-Jäger- Strasse. Die mit Abstand häufigsten Basisfahrzeuge stammten allerdings von Opel und, wie in Köln nicht anders zu erwarten, von Ford.

 

Hochdach FK als rollende Zahlstelle der Spar- und Kreditbank Niederrhein

 

Bei Opel waren es sämtliche Varianten des Blitz, aus dem Ford-Programm waren es neben den Haifisch-FK vor allem die Leichttransporter der Typen FK 800 bis 1500, die mit Migö-Aufbauten versehen wurden. Eine besondere Spezialität waren zudem Doppelkabinen, etwa für den Blitz 1,75 to. Deren Stückzahl blieb allerdings sehr gering. Zunehmend häufiger baute man dagegen Ausstellungs- und Verkaufsfahrzeuge aller Art, eine Tendenz, die sich mit Einführung des neuen Ford Transit im Jahre 1965 noch verstärkte. Auch der gleichfalls neue "leichte Düsseldorfer" von Mercedes (406/408) wurde in den Folgejahren zum Stammgast in den Migö-Hallen, wo er nicht selten mit Kühl-Aufbauten versehen wurde.

 

Exot: Citroën HY für „Opladens Wurstmaxe“

 

Während es den zumeist größeren Kölner Konkurrenten am Ende der sechziger Jahre wirtschaftlich eher bescheiden ging, konnte Mittelgöker mit der Auftragslage sehr zufrieden sein. Dennoch gingen bei Migö 1970 die Lichter aus: Der inzwischen 76 jährige Firmengründer hatte keinen Nachfolger für sein Lebenswerk finden können und schloss den Betrieb. Das Betriebsgelände an der Oskar-Jäger-Straße 168 blieb noch bis 1985 in seinem Besitz. Heute erinnert dort kaum noch etwas an die Karosseriefabrik Migö.

 




[<< zurück] | [Übersicht] | [weiter >>]