Ford's Karosserieschneider (Teil 11) - Karl Deutsch GmbH
Auf dem Clubstand der Techno Classica 2002 erinnerten wir an einen schönen Brauch: Das Kölner Dreigestirn fuhr im Rosenmontagszug Ford, was sonst? In den fünfziger und sechziger Jahren präsentierten sich Jungfrau, Prinz und Bauer in schneeweißen Cabrios, die allesamt bei Deutsch entstanden waren.
Am Anfang stand jedoch die Wagenfabrik J.W. Utermöhle, Köln, die sich mit der Herstellung erlesener Sonderkarosserien für Luxuswagen einen Namen machte.

Das erste von Horch gebaute Automobil besaß einen Zweizylindermotor mit einer Leistung von knapp fünf PS. Der Wagen wurde Ende 1900 fertiggestellt und zu Beginn des darauffolgenden Jahres nahm August Horch höchst persönlich die Jungfernfahrt vor. Wie damals üblich, wurde die Probefahrt nicht mit einer aufgebauten Karosserie durchgeführt, sondern mit einem Sitzholzbock.
Horch beschrieb den Prototypen später: "Das Vorhandensein einer Karosserie, die aus einem Holzgerippe gefertigt war, an dem jene Verkleidungen angebracht waren, die man als Wände der Karosserie bezeichnen konnte. An den unteren Längs- und Querträgern wurden der Boden und die Sitze befestigt. Die Verbindung des Fahrgestells mit der Karosserie zum fertigen Fahrgestell wurde hergestellt durch Verschraubung der unteren Längs- und Querträgern mit den Augen des Fahr- und Untergestells . Die unteren Längs- und Querträger der Karosserie, aus starken Holmen bestehend, bildeten den so genannten Schwellenrahmen. Dieser Schweller, so sagt man heute, hatte im Besonderen die Aufgabe, die Verwindung des Fahrgestells unschädlich zu machen und der Karosserie eine feste Basis zu geben. Denn die Fahrgestelle an sich waren nicht verwindungssteif. Der Oberbau war viersitzig, wir ließen ihn von der bekannten Firma J.W. Utermöhle in Köln bauen. Unser Oberbau, wie überhaupt alle damaligen auf den Markt kommenden Modelle, waren vollkommen offen, also ohne jegliche Türen. Ein Verdeck wurde nur auf besonderen Wunsch des Käufers gegen Mehrpreis geliefert. Wer sich kein Verdeck kaufen wollte, nahm sich das Spritzleder, das war ein Stück Leder, ebenfalls durch Mehrpreis zu erwerben, man zog es sich einfach über die Knie und war damit ungefähr, aber wirklich nur ungefähr, gegen Regen und allzu heftige Kälte geschützt. Eine Windschutzscheibe vor den vorderen Sitzen kannte man damals nicht."
Im Februar 1901 gab Horch einen Verkaufskatalog heraus. Verschiedene Karosserieaufbauten für 4000 bis 6500 Mark waren angekündigt. Fotos bestätigen aber lediglich die Existenz der Modelle Phaeton und Vis-a-vis, beide ausgelegt für vier Personen. Horch hatte von seinem ersten Modell etwa 10 Fahrzeuge gebaut und auch an Kölner Kunden verkaufen können. Bereits 1901 war er jedoch pleite und neues Geld bekam er nicht mehr zusammen. Im Jahre 1902 verließ er Köln, siedelte ins Vogtland über und begann dort seine erfolgreiche Auto-Karriere.

Karl Deutsch
Karl Deutsch


1913 wurde die Firma J.W. Utermöhle unter der Leitung von Karl Deutsch in Westdeutsches Karosseriewerk umbenannt. 1916 gründete er die Karl Deutsch GmbH, die auf einem 30.000 Quadratmeter großen Gelände in Köln-Braunsfeld residierte. Im ersten Weltkrieg produzierten die Kölner hauptsächlich Armeeanhänger. Nach Kriegsende baute man Karosserien für Fahrzeuge verschiedener Hersteller.

Ende der zwanziger Jahre kam es zu engen Geschäftsbeziehungen mit dem Anfang 1927 eröffneten Citroën-Montagewerk in Köln-PoIl. Das Geschäft florierte - wovon die Braunsfelder Karosseriefirma profitierte: Deutsch kleidete das Modell B14 als Cabrio, Kraftdroschke oder Lieferwagen - insgesamt sollen an die 1.000 Karosserien für Citroën entstanden sein.

Durch den Bau des Kölner Ford-Werkes im benachbarten Köln-Niehl entwickelte sich dann eine besondere Affinität zum Ford-Konzern, 1932 entstand der erste Ford mit Deutsch-Karosserie, ein Zweifenster Cabriolet auf Basis des Modell-B - ab 1933 "Rheinland" genannt. Bis zu 30 Karosserien verschiedener Ford-Modelle sollen in den 30er Jahren die Hallen von Deutsch täglich verlassen haben. Die Konkurrenz für die Firma Deutsch war seinerzeit groß, um die Gunst der Kunden bemühten sich auch Karosseriebaufirmen wie Drauz aus Heilbronn, Gläser / Dresden, Buhne / Berlin und Karmann in Osnabrück.
Auch vom Ford Köln (1932-1935) entstanden einige Cabriolets bei Deutsch. Der Nachfolger, Eifel, konnte jedoch mit seinem gut gefütterten Klappverdeck und den verkleideten Hinterrädern optisch und technisch mehr überzeugen.

Opel Moonlight Roadster
Opel Moonlight Roadster


Auch eines der schönsten Opel Modelle aller Zeiten wurde in Köln eingekleidet: Der Moonlight Roadster aus den Jahren 1932/3 auf 1,8 Liter Chassis.

Ford V8 1935
Ford V8 1935


Repräsentativ trumpfte der Ford V8 für solvente Kunden auf, die mit 90 PS aus 3,5 l Hubraum "offen" unterwegs sein wollten. Unter anderem mit einem sportlichen 2+2-Sitzer aus Köln-Braunsfeld, der durch sein ewig langes Heck Akzente setzte. Übrigens fertigte auch Drauz in Heilbronn - vermutlich aus Kapazitätsgründen - die Karosserien dieses Deutsch-Cabrios, die sich nur an kleinen Details voneinander unterscheiden ließen. Zum selben Zeitpunkt und ebenfalls auf Basis des V8 entstanden bei Deutsch imposante, wohlgeformte Vierfenster-Cabrios mit vier vollwertigen Sitzplätzen.
Dank der engen Kooperation mit Ford erlebte Deutsch in den dreißiger Jahren seine erfolgreichste Periode. Dazu Heribert Deutsch, Enkel des Firmengründers: "Ende der Dreißiger lag die Zahl der Beschäftigten bei gut 700." Im Jahre 1942 stellte Ford die PKW-Produktion zugunsten der LKW Fertigung ein, womit wohl auch bei Deutsch die Fertigung für private Kunden zum Erliegen kam.

Deutsch Buckeltaunus
Deutsch Buckeltaunus


Nach 1945 lagen die Dinge anders. Das Karosseriewerk in Köln-Braunsfeld war stark beschädigt. Bei der Wiedergeburt des Buckeltaunus im Jahre 1948, von dem bei Deutsch vor dem Krieg bereits ein Cabriolet als Einzelstück entstand, begann auch bei Deutsch mit diesem Modell wieder die Fertigung ziviler Fahrzeuge. Trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage fanden sich schnell wieder Kunden, die sich ein exklusives Cabriolet leisten konnten. Schon vom Preis her waren sie absolute Traumwagen, die im Mai 1950 mit 8.490 Mark (für das 2+2-sitzige Cabrio) und 8.590 Mark (für das Viersitzer-Cabrio) in den Preislisten standen. Dann waren da noch die dick gefütterten, aufwendig zu fertigenden Klappverdecke oder die hinteren Kurbelscheiben des Vierfenster-Cabrios - alles Dinge, die den Preis nach oben trieben.
Ein Arbeiter brachte damals gerade 279 Mark brutto im Monat nach Hause. Dementsprechend hielt sich die Stückzahl der offenen Taunus in Grenzen. Die Zahlen dazu variieren: Vom Stoffdach-Buckel sollen nach Angaben von Heribert Deutsch rund 250 Stück gebaut worden sein.

Weltkugel Cabriolet (G4B)
Weltkugel Cabriolet (G13 1953)
1953 legte Deutsch eine Kleinserie adretter Weltkugel Cabrios auf. Wieder hatte der Kunde die Wahl zwischen Zwei- und Viersitzern, die Interessenten über jeden Ford-Händler beziehen konnten. "Für die Freunde sportlichen Fahrens, die Landschaft und Sonne zugleich genießen wollen", schwärmte der Verkaufsprospekt des 12m Cabrio. Als der 12m im August 1959 nochmals optisch und technisch leicht modifiziert wurde, strich Deutsch das viersitzige Cabrio aus dem Angebot und lieferte bis 1962 eine weitere Handvoll Zweisitzer mit hinteren Notsitzen.
Der rahmenlose Aufbau von 12m und 15m war für die Karosseriebauer in Köln-Braunsfeld eine echte Herausforderung - schließlich büßt eine selbsttragende Konstruktion durch das abgetrennte Dach viel von ihrer Festigkeit ein. Mit zusätzlichen Blechteilen versuchte Deutsch dies auszugleichen - etwa durch verstärkte Schwellerbleche oder die sogenannte Konsolenverstärkung, bei der man ein quer verlaufendes 30mm-Stahlrohr sowohl mit dem Armaturenbrett als auch, mittels solider Streben, mit dem Kardantunnel zu einer Einheit verschweißte.
Aber durchaus nicht alle selbsttragenden Deutsch-Cabrios waren damit ausgerüstet - vermutlich deshalb, weil man neben dem Bau von genormten Kleinserien eben auch Kundenautos nachträglich in Cabrios verwandelte.

1958 hat man, noch in bester Vorkriegsmanier, dick mit Rosshaar gepolsterte, winterfeste Verdecke, massive selbstgebogene Verstärkungen und gut gelungene Teile aus der Blechpresse verwendet. Gerade die wesentlich vergrößerten Kurbelfenster samt Türumbau und der Verdeckkasten bestechen durch ihre handwerklich gelungene, solide Ausführung.

Taunus 17m (P2) Cabriolet
Taunus 17m (P2) Cabriolet
Vom 17m P2 an präsentierten sich alle "serienmäßigen" Ford-Cabrios aus Köln-Braunsfeld nicht mehr als Viersitzer, sondern als 2+2-Sitzer ohne hintere Seitenscheiben - aus Kostengründen, weil es sportlicher aussah und weil die 2+2-sitzige Karosserie mehr Stabilität versprach; zudem hätte man mit einem vollwertigen Viersitzer wohl Gewichtsprobleme bekommen. Vorgestellt auf der IAA in Frankfurt im September 1957, schlug der offene 17m P2 von Deutsch mit rund 10.500 Mark zu Buche. Das war eine Menge Geld - dennoch bot das Barock-Cabrio viel Gegenwert, ein offener Peugeot 403 kostete stattliche 2.500 Mark mehr. Trotzdem strich man das P2 Cabrio nach nur knapp einem Jahr wieder aus dem Programm. Dass man in diesem kurzen Zeitraum gleich zwei Serien mit unterschiedlichen Bodenblechen fertigte, könnte sowohl auf konstruktive wie produktionstechnische Schwierigkeiten hindeuten. Aber vielleicht waren die Köln-Braunsfelder auch nur mit personellen Problemen befasst, denn Firmengründer Karl Deutsch war am 30. Juni 1957 verstorben.
Von seinen Erben, den Kindern Karl junior, Werner und Johanna, führten fortan die zwei Söhne, die beide technische Berufe erlernt hatten, die Geschäfte weiter.
Anfang der 50er Jahre zählte die Belegschaft rund 150 Beschäftigte, die etwa fünf bis acht Autos pro Tag auf die Räder stellten. Mitte der fünfziger Jahre dürften es so um die 250 gewesen sein, die zehn bis zwölf Cabrios pro Tag fertigten.


Zwei Mitarbeiter der Firma Deutsch, Johannes Beeskow (Vater der "VW Beeskow-Banane" und zuvor bei den Karosseriebetrieben Josef Neuss, Erdmann & Rossi, Rometsch und Karmann beschäftigt) und Werner Deutsch, konnten Dr. Carl F.W. Borgward mit einem mitgebrachten 15m G4B Deutsch-Cabriolet von der Arbeit der Kölner Karosserie-Werkstatt überzeugen. Ab 1954 durfte Deutsch die Isabella-Limousinen "öffnen". Deutsch fertigte übrigens aus der Limousine auch Coupés, bis Borgward selbst mit der Produktion begann. Diese Isabella Coupés wurden nun ebenfalls bei Karl Deutsch aufgeschnitten. Deutsch war wegen des hohen Einkaufspreises der Isabella gezwungen, für die handgefertigten Coupé Cabrios rund 15.600 DM (später 17.000 DM) zu veranschlagen. Diese für die Allgemeinheit unerschwingliche Summe veranlasste die Firma Deutsch, nur 15 Isabella Coupé Cabrios zu fertigen, was diese Fahrzeuge aus den Jahren 1957-1961 heute zweifelsohne zu den gesuchtesten Deutsch-Cabrios macht.
Durch den Konkurs der Borgward-Werke 1961 fiel natürlich ein wichtiger Karosserielieferant und mit ihm ein betuchter Kundenkreis weg. In den 50ern und 60ern verließen jede Woche einige Umbauten das Werk, am zahlreichsten Cabriolets von Ford, Borgward (Isabella) und Opel (Kadett, Rekord und Commodore), aber auch z.B. auf BMW-Basis.

Ford Taunus 17m (P3) Cabriolet mit Export Scheinwerfern
Ford Taunus 17m (P3) Cabriolet mit Export Scheinwerfern
Vielfältig gestaltete sich 1960 der Generationenwechsel vom Barock-Taunus zur neuen "Linie der Vernunft": Deutsch bot den soeben lancierten P3 in drei schicken Versionen an: Als Cabrio, als Cabrio mit Hardtop und als lichtdurchflutetes Coupe mit Panorama-Heckscheibe. Bemerkenswert die Doppelscheinwerfer vom NSU Prinz, die Ford damals wohl für eine vorgesehene US-Ausführung im Ersatzteilkatalog gezeigt hatte.
Zu diesem Zeitpunkt nahmen sich die Karosseriebauer aus Köln-Braunsfeld nicht nur des 17m P3 an, sondern auch des 12m P4. Ende 1962 offerierte Deutsch das Cabriolet ab 8.500 Mark, wobei auch hier der Kunde zwischen 1,2- und 1,5-Liter sowie dem TS wählen konnte. Schätzungen besagen, dass bis 1966 etwa 20 dieser offenen Wagen gebaut wurden. Vom frontgetriebenen 12m Cabrio sind heute noch drei überlebende offene Exemplare bekannt.
Vom Nachfolger P6 sollte es dagegen keine Cabrio-Versionen geben, da diese Modelle nicht mehr über durchgehende Längsträger verfügten.
Audi 100 Cabriolet
Audi 100 Cabriolet
Audi überlegte Ende der 60er Jahre auch in den Cabrio-Markt einzusteigen. So wurden Studien sowohl bei Karmann als auch bei Deutsch in Auftrag gegeben. Beide Autos konnten gefallen, wahrscheinlich kam jedoch das Veto aus Wolfsburg, dass die Ingolstädter ihre offenen Varianten nicht in größerer Stückzahl bauen lassen durften. Das einzige Audi Deutsch Cabriolet ist seit Jahrzehnten in fester Hand.
Opel C-Rekord
Opel C-Rekord
Der Opel Commodore-A GS wurde (wie sein vierzylindriger Bruder C-Rekord) 1967 "aufgeschnitten". Insgesamt verließen 15 das Werk, von denen heute noch 5 beim KBA gemeldet sind.

Gegen Ende der 60er ließ die Qualität der Umbauten stark nach. Korrosionsschutz schien bei Deutsch ein Fremdwort zu sein, auch handwerklich können z.B die P7a Umbauten nicht überzeugen. Wurde bei den früheren Modellen noch auf eine elegante Linie geachtet, wirken die späten Modelle im Bereich der Seitenfenster und des Kofferraumdeckels doch etwas unharmonisch - dort wurden aus Kostengründen Limousinenteile unverändert übernommen. Neben den reichhaltigen, ab Werk erhältlichen Karosserievarianten stellte Deutsch wieder die entsprechenden Cabrios zu Preisen zwischen gut 11.000 und 12.500 Mark bereit - etwa 4.000 Mark mehr, als die entsprechende Blechdach-Ausführung gekostet hätte. Allerdings verwandelten die Deutsch-Mannen weiterhin zweitürige Limousinen, nicht aber das Hardtop-Coupe - obwohl dieser Zweitürer mit seinen voll versenkbaren Seitenscheiben schon werksseitig über zusätzliche Karosserieversteifungen verfügte. Rund 150 Cabrios dieser Baureihe sollen in Köln-Braunsfeld gebaut worden sein.
Als Basis für die P7b Cabrio-Umbauten von Deutsch diente nun endlich die Hardtop-Ausführung. Mittlerweile wehte ein scharfer Wind in Köln-Braunsfeld: Cabrios befanden sich aus Sicherheitsgründen auf dem Rückzug. So geriet das rundum gelungene, 1969 gezeigte Capri Cabrio zum Schwanengesang von Deutsch. Mag sein, daß man im Auftrag der englischen Firma Crayford Capri-Cabrios auch für den englischen Markt fertigte, mag ebenfalls sein, daß ein dickes Spanien-Geschäft am Widerstand Francos scheiterte. Informationen hierzu sind spärlich. 1972 kam schließlich das Aus für die Deutsch GmbH, mit einem Capri I lief das letzte Cabriolet aus den Hallen. Als Grund mag man zum Einen die unwirtschaftlichen Umbauten in Handarbeit ansehen, andererseits die Sicherheitsdebatte. Die Karl Deutsch GmbH fungierte von diesem Zeitpunkt an bis heute nur noch als Immobilien-Verwaltungsgesellschaft.

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Die Nachfolger waren dann optisch noch weniger überzeugende Großserienlösungen wie "Erdbeerkörbchen" Cabrios á la Golf und Escort vom Konkurrenten aus Osnabrück.

tm


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