Für Ford bestand Mobilität nicht nur
aus Autos, sie stellte vielmehr einen völlig neuen Lebensstil dar. Er
förderte den Bau von Tankstellen und Straßen, um die Rahmenbedingungen
für sein Kernprodukt zu verbessern. Und Henry Ford wagte früh den
Schritt auf wichtige Wachstumsmärkte. Noch unter seiner Ägide war Ford
bereits in mehr als 30 Ländern rund um den Globus vertreten – darunter
große Teile Europas sowie damals exotische Destinationen wie
Indonesien, China, Brasilien und Ägypten.
Je mehr die Ford Motor Company florierte, umso stärker wuchs auch das
Interesse am charismatischen Firmengründer selbst. Henry Ford galt als
schillernde Figur. Er dirigierte sein Unternehmen nicht hinter
verschlossenen Türen, sondern befand sich gerne mitten im Geschehen und
nahm dabei kein Blatt vor den Mund. Viele seiner Zitate gingen in die
Wirtschaftsgeschichte ein. Eines davon lautete „Wenn du glaubst, dass
du etwas kannst oder nicht kannst, wirst du in jedem Fall Recht
behalten.“ Da Henry Ford viele Talente in sich spürte, versuchte er
sich in einer Reihe von Betätigungsfeldern. Gemeinsam mit dem
afro-amerikanischen Erziehungs- und Agrarwissenschaftler George
Washington Carver betrieb er landwirtschaftliche Versuchsreihen.
Flugpioniere wie Wilbur und Orville Wright sowie Charles Lindbergh
holte er als Berater seiner Flugzeugabteilung an Bord. Er kandidierte
für den US-Senat und war mit mehreren Präsidenten gut bekannt.
Neben dem bis 1933 andauernden Flugzeugbau probierte sich Henry Ford
auch buchstäblich auf anderen Feldern aus: Gemeinsam mit seinem Sohn
Edsel gründete er 1917 die Traktorfirma
Fordson
(für Ford and son). Auf Basis seiner Erfahrungen auf der elterlichen
Farm wollte Henry Ford leichtgewichtige und kostengünstige Trecker
bauen – ganz nach dem Muster des Modell T.
Ein anderes Beispiel für die Vielseitigkeit des Visionärs: 1914 nahm
das firmeneigene Filmstudio seine Arbeit auf. 24 Mitarbeiter besuchten
die Standorte der Ford Motor Company und produzierten kurze Werbe- und
Schulungsfilme. In den 1920er Jahren galt die Abteilung gar als größter
Filmproduzent der USA – noch vor den Studios in Hollywood oder New
York. Mehr als die Hälfte aller Menschen im ländlichen Amerika sahen
als ersten Film überhaupt eine Produktion von Ford. Interessante
Fußnote: 1959 waren die bis dahin nur aus Comicstrips bekannten
„Peanuts“ erstmals in bewegten Bildern zu sehen – in einem Werbefilm
für den Ford Fairlane …
Mit der Gründung des „Edison Institute“ 1929 ehrte Henry Ford seinen
alten Freund und Förderer. Die Eröffnung dieses Museums für
amerikanische Technik- und Industriegeschichte legte er auf den 50.
Jahrestag der Erfindung der elektrischen Glühbirne durch Thomas Edison.
Neben einem Nachbau der Werkstatt des Elektro-Pioniers stellte Ford
dort Landmaschinen aus und baute ein Freilichtmuseum mit typischen
Siedlungshäusern aus ganz USA auf. Nach und nach steuerte er ein
Exemplar von jedem jemals gebauten Ford Modell zu. Die 1947 in „Henry
Ford Museum“ umbenannte Einrichtung zählt heute zu den größten und
meistbesuchten Museen der USA. Der Gründer selbst investierte mehr als
zehn Millionen Dollar aus seinem Privatvermögen in die Sammlung.
Es gab wenig, dass sich Henry Ford nicht zutraute und praktisch nichts,
dass er nicht mit großem Ernst betrieb. Er begegnete seinen
Zeitgenossen als Co-Autor einiger Bücher und engagierte sich in
zahlreichen Wohltätigkeits-Initiativen. Wegen seiner Liebe zum Tanzen
startete er sogar ein Revival von Square Dance und Country Fiddling. So
unterschiedlich und teils bizarr all diese Aktivitäten wirken – sie
alle verband Fords unbändige Neugier und sein Wille, lebenslang Neues
zu lernen.
Henry Fords Lebenswerk hat die Welt
verändert. Seine modernen Fertigungsmethoden gaben den Startschuss für
die Wandlung der USA von der Agrar- zur Industrienation. Sie
ermöglichten die Massenmotorisierung und die Entstehung einer
wirtschaftlich abgesicherten Mittelklasse in allen westlichen
Industrieländern. Und mit der Gewinnbeteiligung für die Arbeitnehmer
schuf er ein Entlohnungsmodell, das heute aktueller denn je ist.
Genauso nachhaltig hat er die technische Entwicklung des Automobils
geprägt. Schon der Zweizylinder-Renner „Sweepstakes“ von 1901 wies
Vorläufer der Porzellan-isolierten Zündkerze und der mechanischen
Benzineinspritzung auf. Innovationen wie der V8-Motor und das
Sicherheitsglas gehen auf Fords Erfindergeist zurück. Sehr früh testete
er leichtgewichtige Materialien, um die Kraftstoffeffizienz seiner
Fahrzeuge zu erhöhen. Und bereits in den 1930ern experimentierte er mit
pflanzenbasierten Kunststoffen.
Text: ford, Bild: fomcc