Autos für Jedermann – gebaut in revolutionär neuen Werken
Henry Ford verstand nicht nur viel von Autos. Er verstand auch als
Erster, dass sie das Potenzial hatten, die Gesellschaft zu verändern.
Bis dahin galten Automobile als Luxusgüter. Ford aber erkannte, dass
sie – eine kostengünstige Fertigung vorausgesetzt – auch für die breite
Masse erschwinglich sein könnten. Und dass die breite Masse sie liebend
gerne kaufen würde. Folgerichtig suchte er nach effizienten
Fertigungsmethoden, um mehr Autos zu einem niedrigeren Preis anbieten
zu können.
Das Ergebnis dieser Suche ist weltbekannt: 1914 führte er im Werk
Highland Park das Fließband ein. Das damit einhergehende Prinzip, den
gesamten Produktionsprozess in einzelne Arbeitsschritte zu zerlegen,
ist bis heute als Fordismus bekannt. Die Fließbandtechnik erlaubte eine
enorme Produktionssteigerung beim bereits bestens eingeführten Modell
T. Bereits 1918 war jeder zweite Wagen in Amerika eine „Tin Lizzy“. Bis
1927 wurden so mehr als 15 Millionen Exemplare dieses Jahrhundertautos
gebaut – ein Rekord, der die nächsten 45 Jahre Bestand haben sollte.
Mit dem Bau des berühmten Werks „The Rouge“ näherte er sich ab 1917
seiner Vision einer integrierten Fabrik, die alle Fertigungsschritte
vom Rohstoff bis zur Endmontage unter einem Dach vereint. Und
tatsächlich wurde auf dem fast vier Quadratkilometer großen Gelände mit
eigenem Kraftwerk und 160 Kilometer Schienensträngen das Erz bis zum
geformten Stahlblech, der Rohkautschuk bis zum montierten Reifen
umgeformt.
Während seine Fertigungsmethoden die gesamte Industrie in die Moderne
führten, sollte eine andere Erkenntnis praktisch die gesamte
Gesellschaftsordnung verändern: Henry Ford vertrat die Meinung, dass
die Massenproduktion mehr Arbeitsplätze schaffen würde und dass die
Beschäftigten genügend Geld verdienen müssten, um sich die
kostengünstig hergestellten Autos leisten zu können. So führte er im
Januar 1914 den 5-Dollar-Arbeitstag ein und beteiligte seine Arbeiter
überdies an den Gewinnen des Unternehmens. Gleichzeitig verkürzte Ford
die tägliche Arbeitszeit auf acht Stunden. Für die meisten
Beschäftigten bedeutete dies zumindest eine Verdoppelung ihres
Einkommens. Erstmals in der Geschichte der Industrialisierung konnten
es Fabrikarbeiter zu bescheidenem Wohlstand bringen.
Die visionäre Rechnung ging auf: Ford stärkte massiv die Kaufkraft der
Arbeiterschaft – und die gönnte sich mit Freuden das bereits für 575
US-Dollar erhältlich T-Modell. Die gestiegene Freizeit der Arbeiter
heizte die Nachfrage nach Konsumgütern zusätzlich an. Historiker sind
sich einig: Henry Ford legte die Grundlagen der modernen
Konsumgesellschaft. Und viele von ihnen glauben, dass die Entstehung
einer Mittelschicht in den USA erst durch Fords Lohnpolitik ermöglicht
wurde.
Die großzügige Entlohnung seiner Arbeiter entsprang zwar vorwiegend
Henry Fords wirtschaftlichem Kalkül. Gleichzeitig prägte jedoch auch
sein persönliches Motto „Hilf deinen Mitmenschen“ seinen Führungsstil.
Dabei glaubte er nicht an Almosen, sondern an Hilfe zur Selbsthilfe.
Und er erkannte, dass Großzügigkeit durch motiviertere Arbeit und
letztlich bessere Produkte belohnt würde. Zudem wies er seine
Personalabteilung an, Job-Möglichkeiten für körperlich und geistig
Behinderte zu schaffen und stellte sogar entlassene Strafgefangene ein.
In Highland Park baute Ford zudem eine eigene Sprachschule für die
zahllosen Einwanderer aus Europa auf, die eine der begehrten Stellen
bei Ford ergattert hatten.
Text: Ford, Foto: M.Wi.