Das unrühmliche Ende eines Ford Capri RS 2600

Was hat eine Fußball-WM mit dem Schicksal eines Le Mans-grünen Capri RS 2600 zu tun?
Aus aktuellem Anlass – die zweite Fußball-WM im eigenen Land steht unmittelbar vor der Tür – möchte ich euch gerne (m)eine wahre (Automobil)-Geschichte erzählen: Gewinn der Fußball-WM wird Capri RS zum Verhängnis Nach 18-monatigem Wehrdienst leistete ich mir 1969 einen gebrauchten Käfer (30 PS) und ein Jahr später einen Austin Mini (36 PS). Dieser sollte mich 1970 nicht nur zur Trauung zum Standesamt fahren, sondern – bei aller Freude am GoKart-ähnlichen Fahrverhalten – mir auch Wochenende für Wochenende meine Zeit für nötige Reparaturen, Instandhaltung und natürlich »Tuning« stehlen. Also legte das junge Paar zusammen und holte den Rest bei der Bank: 2600RS Es waren etwas über 17.000 Mark die ich dann im Mai 1972 für einen nagelneuen Ford Capri RS - in Le Mans-Grün mit mattschwarzer Motorhaube und Recaro-Sitzen – auf den Tisch blätterte! Ich hatte schon Wochen zuvor unruhige Nächte und mein Pulsschlag kam nach Studium des Prospektes selten auf Ruhefrequenz. Also fuhr ich mit 150 PS vom Hof des Ford-Händlers – und kam springend und bockend doch tatsächlich etwa einen Kilometer voran. Dann war Stille! Anlasser minutenlang georgelt - kein Muckser. Ich war am Boden zerstört! Der herbeigeholte Meister vom Autohaus (zu Fuß – nix Handy!) stellte Benzinmangel fest. Auf meine Vermutung, dass dann vielleicht die elektrische Benzinpumpe die Ursache sein könnte (den RS-Prospekt kannte ich inzwischen in- und auswendig), antwortete er wortwörtlich: »Dieser Capri hat keine Benzinpumpe, der hat eine Einspritzpumpe!«. Naja, war ja irgendwie Neuland für die Ford-Werkstatt, aber nach zwei Tagen sollte ich endlich mein Traumauto mit einer neuen elektrischen Benzinförderpumpe (die mich leider noch öfters ärgern sollte) abholen. Eigentlich hatte ich schon bei der Bestellung etwas Bauchweh – stand doch im Prospekt, dass dieses Sportfahrzeug nur in ausgewählten Ford RS-Centern verkauft und gewartet wird. Jedenfalls war die Schwabengarage Stuttgart bei Diagnose und Reparatur dann anscheinend behilflich - und wurde dann künftig die Werkstatt meines Vertrauens...

Was soll ich euch über meine Erlebnisse mit meinem RS berichten? Es ist nicht einfach, euch dieses Gefühl der lässigen Überlegenheit zu übermitteln. Man war zu dieser Zeit mit diesem Fahrzeug einfach der absolute Champ auf der Straße – ohne groß aufzufallen oder anzugeben. Lediglich Doppelscheinwerfer und ein paar Stoßfänger-Ecken waren für Insider die Unterscheidung zum »normalen« Capri (den’s damals z.B. auch als 1300er mit 50 PS) gab. Mit Ausnahme der Heck-Ansicht, die wahrscheinlich die meisten Verkehrsteilnehmer bestaunen durften: da waren zwei Auspuffrohre (heute »Endschalldämpfer«), die nicht nur optisch sondern auch akustisch was her machten. (Übrigens haben sich RS-Fahrer genau wie die Mini-Lenker immer mit Lichthupe gegrüßt.) Und nun stellt euch vor: kein Mercedes, kein Audi, kein Opel, auch kein Alfa oder BMW - Reisschüsseln gab’s überhaupt noch nicht - waren echte Konkurrenten. Lediglich der 911S von Porsche (also kein T mit 130 PS und kein E mit 150 PS) und von BMW das 3-Liter-Coupe oder dann der 2002 turbo waren ernst zu nehmen - aber äußerst selten anzutreffen!

Um dem Vorurteil der Schwaben (»mehr Sein als Schein«) gerecht und vor allem auch nicht enterbt zu werden, wurden die 2600 RS-Schildchen zwischen Tür und vorderem Kotflügel dann durch 1300er-Marken ersetzt - was den einen oder anderen Betrachter natürlich ins Grübeln brachte. Besonders ein schwarzer GI in seinem 8-Zylinder-Mustang konnte es an einem heißen Sommerabend nicht lassen: Gaspedalspielerei an einer roten Ampel auf der B10 bei der Wilhelma.
Gleichzeitig mit Grün und seinem Urschrei »GOOO« beschleunigten wir bis zur nächsten (roten) Signalanlage. Dieses Spiel mit rauchendem Gummi wiederholten wir durch ganz Stuttgart - und in Zuffenhausen - kurz vor der Autobahn-Auffahrt - konnte er seine Niederlagen irgendwie nicht fassen: »But nix 1300!« schüttelte er ungläubig den Kopf. »No, this is a 2600 with Petrol-Injection!« schrie ich lachend hinüber. »Oh, damned« meinte ich zu hören und ich glaub er bekam feuchte Augen...

Großen Spaß machte auch die Fahrt an einem so genannten autofreien Sonntag. Ich hatte eine Ausnahmegenehmigung für die Fahrt zur Arbeit. (Sonntags macht man nun mal die Montagszeitung.) Da gab’s ausgelassene Vollgasfahrten, aber auch Drohgebärden von Fußgängern an den überfüllten Haltestellen (da waren tatsächlich die Ampel-Anlagen in Betrieb!) und auf der Bundesstraße hätte ich fast ein paar lebensmüde Fußgänger aufgeladen...
2600RS
Ein unvergessliches Erlebnis hatte ich mal auf der B14 von Nürnberg nach Stuttgart (die BAB Nürnberg-Heilbronn war noch nicht fertig). Mein RS hatte sporadisch »Ausfälle« - Zündung oder Sprit blieben willkürlich weg. Jedenfalls versuchte ich das Tempo hoch zu halten, um nicht stehen zu bleiben! Als ich dann durch Crailsheim zuckelte, überholte mich in aggressiver Fahrweise ein weißer Audi 100 - mit Jalousetten am Heckfenster, einem Fotoapparat auf dem Armaturenbrett und einer Kelle aus dem Beifahrer-Fenster! Beim Aussteigen setzten zwei Männer dann eine Mütze auf - und waren plötzlich Polizeibeamte! Ich hätte sie auf der B14 kurz nach Ansbach sehr schnell überholt – und seit über 40 Kilometer versuchten sie mich mit teilweise über 180 km/h einzuholen. (Die zul. Höchstgeschwindigkeit auf Nicht-Autobahnen war erst kurz zuvor auf 100 km/h begrenzt worden.) Ich erklärte Ihnen mein Problem mit dem RS – und sie wollten dann ihr Foto (das sie angeblich im Kasten hatten ;-) für 20 Mark vernichten! Den Zwanziger hab ich dann schweren Herzens rausgerückt, weil ich mir eigentlich sicher war, nicht geknipst worden zu sein! Der Grund für die Aussetzer war übrigens »Watte im Tank!« Wer auch immer auf so Ideen kommen mag...

Tja, und als er dann zwei Jahr alt und ich der Meinung war, der perfekte RS-Driver zu sein, hab ich die Vollkasko gekündigt. Es hatte sich auch bei uns Nachwuchs angekündigt - und so mit einem Auge schielte ich zu einem etwas sparsameren Auto (Ich hatte da einen »familienfreundlichen Escort RS« im Auge ;-)

Am Sonntag, 7. Juli 1974 wurden WIR dann Fußball-Weltmeister im eigenen Lande – und nach dem dritten oder vierten Kneipenbesuch fing es Montag morgens schon an zu tagen, als mir mein RS eine Fehl-Einschätzung nicht verzeihen konnte. Irgendwie ging mir auf einer Brücke die Straße aus – und als ich wieder zu mir kam lag ich halb vor dem Beifahrer-Sitz. Bin dann auf dieser Seite auch ausgestiegen, weil auf der Fahrerseite ein Brückengeländer dies verhinderte und der RS mit dem linken Vorderrad auch schon im Freien hing. Unten war die Bahnlinie Stuttgart-Ulm und unmittelbar daneben der Neckar! Weil der Vorderwagen gestaucht war, meinte der nächstgelegene Fordhändler, das sei »…ein Totalschaden«. Obwohl man mir Promille nicht nachweisen konnte (Unfallflucht) bekam ich 3 Monate Fahrverbot und 3 Punkte - und hatte wohl auch einen länger anhaltenden Schock. Denn etwas später wurde mir klar, dass mein Capri nicht so kaputt war, wie man mir unmittelbar danach weiß gemacht und mich damit fast ruiniert hatte.

So war der Gewinn der Fußball-WM der eigentliche Grund für das Ende meines geliebten Le Mans-grünen RS! Nicht mal 40.000 km auf dem Tacho und schon im Jenseits...
Nach etlichen Granadas (darunter 1980 ein 2.8 turbo Schwabengarage) einem weißen 528i und einem 535i (MKMotorsport) leistete ich mir 1988 dann wieder eine Ford-Waffe: einen Stufenheck-Sierra Cosworth mit 260 PS von Walter Wolf, »den Wolf im Schafspelz«. Aber das ist eine andere Geschichte...

Gruß von Rainer aus Ludwigsburg. Einem Capri-Freak der ersten Stunde – der heuer keine Angst hat wegen eines Fußball-WM-Titels seinen jetzt sechs Jahre alten Alfa 156 V6 zu schrotten.

Weil die Gefahr, Fußball-Weltmeister zu werden, besteht meines Erachtens 2006 nicht! (...aber ich ärgere mich nicht, falls ich mich irren sollte!) -
Publiziert am Freitag, 9. Juni 2006

...ach wären wir doch nie  Weltmeister geworden!





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