Ford Belgien

Die Geschichte von Ford Belgien beginnt im Jahr 1907, als ein erster Händler im Land seine Pforten öffnet. 1910 wurde das T-Modell auf dem Autosalon in Brüssel vorgestellt. Oscar Permeke, der schon selbst mehrere Jahre lang Automobile und Motorräder herstellte, reiste daraufhin nach Dearborn und bekam am 31.7.1911 die Genehmigung im Raum Antwerpen Ford Fahrzeuge zu vertreiben. Der Betrieb verkauft bis heute Ford Fahrzeuge, so lange sind weltweit nur drei Betriebe der Marke treu. Aber Fords Marktanteil blieb bis zum Ersten Weltkrieg recht bescheiden. 1913 vertreiben zwei weitere Händler die Tin-Lizzie: George Catala in der Wallonie und Paul Vandersmissen in Flandern. Mit dem Einmarsch der deutschen Truppen 1914 verschwanden die meisten einheimischen Fahrzeughersteller, nur Minerva und Fabrique Nationale (FN) überlebten den Krieg. Damit war der Weg frei für ausländische Investoren.

Am 30. Januar 1922 wurde die Ford Motor Company Belgium von M. van Luppen in Antwerpen gegründet, wie üblich unter englischer Schirmherrschaft. Dabei war es Henry Ford persönlich, der Antwerpen als idealen Standort für ein neues Montagewerk vorgeschlagen hatte. Der günstig gelegene Hafen, der starke belgische Franc, gut ausgebildete Arbeiter und das Eisenbahnnetz sprachen für den Standort.
Das Gelände an der Rue Dubois mit seinen 89 Mitarbeitern war schnell zu klein. 1924 verlassen 125 Ford am Tag das Werk in Antwerpen, das seit 1921 seine Verkaufszahlen schon verdoppeln konnte. Es wurden über 25.000 T-Modell montiert, deshalb zog man schon 1926 nach Hoboken in eine ehemaligen Topf- und Pfannenfabrik an das Scheldeufer um. Dort sank der Ausstoß auf weniger als 15.000 Einheiten, das T-Modell war wie auch in den USA mittlerweile veraltet.
Ford zahlte wie üblich gute Löhne und führte die 40 Stunden Woche ein, es gab sogar zwei Wochen Urlaub - eine Woche bezahlt von Ford.
Die in Belgien gebauten Fahrzeuge wurden neben dem heimischen Markt auch in der Kolonie Kongo, Luxemburg, der Schweiz und im bis 1930 noch besetzten Rheinland verkauft. 

Ford Werk Antwerpen
Ford Werk Antwerpen

1930 begannen die Bauarbeiten für ein größeres Werk mit einer Kapazität von 10.000 Fahrzeugen jährlich. 21.000 Quadratmeter am Bassin Kanal wurden von der Stadt gepachtet. Dort rollte am 19. März 1931 das erste Fahrzeug vom Band. Trotz der Weltwirtschaftskrise liefen die Verkäufe gut, wohl auch weil Ford durch ständige Verbesserungen bei der Produktivität die Preise senken konnte. Material wurde größtenteils im Land beschafft, so entfielen Einfuhrzölle. Die anderen Baugruppen wurden vom englischen Werk in Dagenham zugeliefert. Neue Modell wie der V8 und der 6CV konnten vorgestellt werden.

Ford V8 Taxen in Antwerpen
Ford V8 Taxen in Antwerpen

Mit dem belgisch-amerikanischen Handelsabkommen von 1935 wurden die Zölle gesenkt. Für die belgische Armee wurden 1938/39 Ford 91Y mit Marmon-Herrington Allradantrieb gebaut. Sie wurden als Befehlsfahrzeuge und zum Transport genutzt, konnten aber auch mit Funkkabinen ausgerüstet werden. Bekannter sind gepanzerte Fahrzeuge von Ragheno in Mechelen, die zum Ziehen von 47-mm-Panzerabwehrgeschützen ausgelegt sind.

gepanzerte Atillerie Zugmaschine
gepanzerte Atillerie Zugmaschine

Am 10. Mai 1940 besetzte die Wehrmacht Belgien, die Niederlande und Luxemburg. Das Werk in Antwerpen blieb unbeschädigt und produzierte schon ab Juni wieder Nutzfahrzeuge mit belgischen und Kölner Teilen, doch bald wurde die Fertigung auf Militär-Lkw umgerüstet. Edsel Ford selber genehmigte die Fortführung der Produktion. Bis zum Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 wurden noch Werkzeuge und Fahrzeugteile aus Dearborn in die von Deutschland kontrollierten Werke verschifft. Robert H. Schmidt wurde als Kommissar der Ford Werke in Belgien und Holland eingesetzt. Nach dem Sieg über Frankreich übernahm er auch dort diese Position. Ford Belgien blieb bis zur Befreiung im September 1944 unter deutscher Kontrolle, nur die verlorene Kolonie im Kongo kam schon 1940 unter amerikanische Zuständigkeit. Die Modellpalette der Werke unter deutscher Kontrolle wurde vereinheitlicht, das Kölner Werk hatte aber stets Priorität; so wurden insg. 232 Maschinen aus den ausländischen Werken demontiert und an den Rhein verschifft.
Bis 1942 wurden rund vierzig LKW für die Wehrmacht pro Tag in Antwerpen gebaut, nach der Zerstörung der französischen Fabrik in Poissy im März kam es zu Engpässen und die Zahl fiel auf sieben bis acht pro Tag. Bis zum Sommer steigerte sie sich langsam wieder auf rund vierzehn, wie englische Geheimdienste herausfanden. Die Teile kamen immer noch aus ganz Europa. Zudem hatte Ford Belgien ein Gelände der Fabrique Nationale de Herstal nahe Lüttich übernommen und lies dort Teile fertigen, die nach Antwerpen transportiert wurden.

Ford Deutschland übernahm auch die Zuständigkeit für die Schweiz von den Belgiern und bezahlte dort Löhne und Einfuhrabgaben. Auch Ersatzteile wurden wohl noch bis 1943 in die Schweiz exportiert. Im Gegenzug rüsteten Schweizer Ford Händler 2.000 Wehrmachts-LKW auf Gasbetrieb um.

Bis 1943 mussten Belgier als Zwangsarbeiter im Kölner Werk arbeiten. Viele von ihnen kehrten jedoch nach Luftangriffen oder genehmigtem Urlaub nicht an ihren Arbeitsplatz zurück. Generaldirektor Schmidt setzte sie fortan in Antwerpen ein. So stieg dort die Zahl der Beschäftigten von 312 im Oktober 1940 auf 2.200 im Jahr 1944.

Nach der Befreiung begann das fast unbeschädigte Werk Antwerpen Jeeps und Lastwagen für die Alliierten zu bauen. Zwischen Dezember 1944 und Mai 1945 wurden mehr als 35.000 Fahrzeug an die Front geschickt, eine viel größere Zahl als unter deutscher Besatzung - und das trotz des strengen Winters 1944/45 und ständiger Bombardierung durch deutsche V1 Flugbomben.
Noch im April 1945 unterzeichneten die Belgier einen Vertrag zur Lieferung von 4.060 Fahrzeugen für den Krieg im Pazifik.
Nach Kriegsende im Dezember 1945 übernahm Charles Tacker die Leitung des Betriebs, der sich fortan auf die Montage von PKW und LKW beschränkte. Nicht mehr benötigte Abteilungen wie die Gießerei, Schmiede und andere Einrichtungen wurden abgebaut. Trotz knapper Rohstoffe liefen die Geschäfte gut, erste Gewinne wurden wieder im Kongo gemacht. So konnte man 1947 mit den Erlös auch den Betrieb modernisieren und eine neue Kantine bauen. In Antwerpen wurde die Montage von amerikanischen Lastwagen, auch mit Marmon-Herrington 4x4 Antrieb, wieder aufgenommen. 1948-1952 werden für die Armee Ford / Marmon-Herrington F-6 COE (4x4) Dreitonner mit unterschiedlichen Aufbauten gebaut. 1950-1952 folgte eine weiter Serie für die Armee von anderthalb Tonnen Ford / Marmon-Herrington F-3 COE mit Aufbauten des lokalen Herstellers Kables.

1948 wurden in USA neue Ford LKW und PKW Modelle vorstellt. Sie wurden nun in Antwerpen neben den englischen Ford montiert. Nach einem Brand, der kaum die Fertigung beeinträchtigte, plante man eine Erweiterung der Anlagen am Bassin Kanal. Die Stadt Antwerpen benannte daraufhin die Straße zum Werk in "Henry Ford Laan". Die ersten Erweiterungen in den Jahren 1951/52 beinhalteten eine Ausstellungshalle, Büros, eine Motorenwerkstatt und eine Endabnahmehalle. 1955/56 wurden weitere Gebäude und Anlagen gebaut.
Rüstungsaufträge kamen von der belgischen und luxemburgischen Armee. Auch viele belgische Krankenwagen, Polizei-, Post- und Feuerwehrfahrzeuge kamen aus Antwerpen. In den Großstädten ging die Polizei mit V8 Ford auf Ganoven-Jagd.

Neubau Antwerpen
Neubau Antwerpen

In den belgischen Kolonien halfen Ford Traktoren bei der Mechanisierung der Landwirtschaft. Mit deren Unabhängigkeit 1960 brachen diese Märkte zur Hälfte weg. Ab 1963 wurden fast ausschließlich LKW in den Kongo exportiert, daneben aber in kleiner Stückzahl amerikanische Modelle wie Falcon und Fairlane für den heimischen Markt montiert.

Als in den 60er Jahren Arbeitskräfte im Kölner Werk knapp wurden, plante man ein neues Werk im nahen Ausland. Begünstigt durch staatliche Zuschüsse fiel die Wahl auf den ehemaligen Bergbauort Genk im belgischen Limburg. Das Gelände am Albert-Kanal und der Eisenbahnlinie Antwerpen-Lüttich-Köln lag günstig. Die dortigen Löhne waren so niedrig, daß man darüber nachdachte das alte Werk in Antwerpen zu schließen. Im April 1962 unterzeichnete Ford einen Fünfjahresvertrag mit der Provinzregierung. Transit und Taunus sollen montiert werden. Im Oktober 1964 wird das Werk offiziell eingeweiht, kurz darauf wurden die Anlagen in Antwerpen abgebaut und nach England verschifft. Antwerpen wurde fortan zum Traktorenwerk.

Ford Testgelände in Lommel
Testgelände Lommel

1963 erwirbt Ford Flächen zum Bau eines neuen europäischen Prüfgeländes in den Wäldern von Lommel. Zwei Jahre später wird mit dem Bau begonnen und am 3. Januar 1966 beginnen die Testfahrten. Die Anlage wurde im Laufe der Zeit immer weiter ausgebaut. Umfassten die Teststrecken anfänglich 40 Kilometer, so sind es heute gut 80 km. Die Prototypen werden rund um die Uhr erprobt. Fast zehn Millionen Kilometer kommen so jedes Jahr zusammen. Neben Versuchsstrecken gehören auch andere Einrichtungen wie Klimakammern, Prüfstände, Büros, Werkstätten, eine Tankstelle und eine Waschanlage zum Gelände. In Lommel arbeiten rund 70 Ingenieure sowie 300 Mitarbeiter – darunter auch Mechaniker und Fahrer.

Die Probleme begannen 1968, als rivalisierende Gewerkschaftsgruppen in Genk um ihren Einfluss kämpften. Genk sollte die gleichen Löhne wie Antwerpen zahlen, was seitens Ford abgelehnt wurde. Im Oktober kam es zu einem fünftägigen Streik. Erst im November wurde ein Kompromiss zwischen beiden Parteien augehandelt.

Die Marke Ford war damals in Belgien sehr populär, auch im Motorsport mit bekannten Fahrern wie Gilbert Staepelaere, André Aerts, Jacky Ickx, Claude Dubois, Alain Dex, Yvette Fontaine (Belgiens schnellste Frau), Alain Semoulin, Claude Bourgoignie, Jean Michel Martin, Robert Droogmans, Pierre Dieudonné, Marc Duez, Marc Goosens, Patrick Snijers, Grégoire de Mévius, Bruno Thiry und Laurent Verhoestraete.

In den 80erJahren wurde in Roboter zur Fertigung des neuen Sierra investiert. Ford Belgien koordinierte nun alle Aktivitäten im Werk Genk, in Zedelgem (1906 als "Werkhuizen Leon Claeys" für Landmaschinen gegründet, 1986 mit Ford New-Holland fusioniert und seit 1990 FIAT Geotech) und dem Testgelände Lommel.

Transit Fertigung in Genk
Ford Transit (VE83) Fertigung in Genk

Seit 1993 wurde in Genk der Mondeo gebaut. Die Transit-Fertigung wurde später in die Türkei verlagert. In den Jahren 1965 - 2000 verließen insgesamt 1.857.635 Transit die Hallen am Albert Kanal. Die flexible Produktion erlaubte die Fertigung von drei Typen: Neben dem Galaxy und S-MAX, der 2007 "Auto des Jahres" in Europa wurde und deren Produktion 2006 anlief, wurde weiterhin auch der Mondeo in Genk produziert. Mit 5.700 Beschäftigten blieb Ford Genk das größte Automobilwerk Belgiens. Nach dem Auslaufen dieser Modelle stellte Ford die Produktion in Belgien 2014 ein und verlegte die Fertigung in das spanische Valencia.

Mit der Verschiffung von jährlich über 73.000 neuen Ford-Fahrzeugen ist der Hafen von Antwerpen seit mehr als 20 Jahren eine der wichtigsten europäischen Drehscheiben des weltumspannenden Ford Logistiknetzes. Neuwagen aus Köln und Saarlouis erreichen über den belgischen Seehafen ihre Bestimmungsorte im Mittelmeerraum, dem Vorderen Orient, in Afrika sowie in Asien. Darüber hinaus kamen Ford aus dem Werk Valencia/Spanien sowie Transit und Transit Connect aus dem Werk Kocaeli/Türkei über Antwerpen zu den Kunden in Deutschland und BeNeLux.
Bis zum Euroterminal in Antwerpen "schwimmen" Fiesta von Köln in 24 Stunden über den Rhein und das niederländische Wasserstraßennetz. Zwischen dem Niehler Ölhafen, nur 300 Meter vom Ford-Fertigungsband entfernt, dem Seehafen Antwerpen sowie dem niederländischen Hafen Vlissingen pendeln fünf Autoschiffe. Während in Vlissingen pro Jahr rund 85.000 neue Fahrzeuge aus der Kölner Produktion für Großbritannien auf die Hochseefähren umgeladen werden, sind es in Antwerpen pro Jahr über 73.000 Fahrzeuge aus den verschiedenen Ford-Produktionsstätten.

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