Ford Thunderbird

Baujahre Oktober 1954-1957, 31.786 Stück
Antrieb: 292ci (ab '56er Modelljahr 302 ci Hubraum) OHV V8-Motor "Y-Block", Dreigang Automatik-Getriebe (a.W. mit Overdrive), 193 PS als Schaltwagen, mit Automatik 198 PS

Thunderbird 1955
Thunderbird Modelljahr 1955

Das Verdienst, den Thunderbird aus der Taufe gehoben zu haben, schreiben Historiker vor allem zwei Männern zu: Lewis D. Crusoe und George Walker. Beide hatten sich dem Automobil und seiner kontinuierlichen Entwicklung und Verfeinerung verschrieben, und beide galten in Fachkreisen anerkanntermaßen als „Genies" auf ihrem Gebiet.
Crusoe, ein Millionär, den Henry Ford II aus seinem Dasein als Ruheständler zurück ins Berufsleben gelockt hatte, war ein Geschäftsmann mit dem richtigen „Händchen" für den Automobilmarkt. In seiner Funktion als Vice President bei Ford und General Manager einer Ford-Division, war er für den Ausbau dieser damals noch jungen Ford Division zuständig. Er sollte ihr ein Auto verschaffen, das Esprit versprühte - ein Auto, das dem Namen Ford zusätzliches Prestige verschaffen würde.
Walker, der später zu einem Vice President bei Ford und Chefstylisten wurde, wird von seinen Zeitgenossen als Stylist beschrieben, „in dessen Herz die Seele eines Künstlers brennt".

Es war im Oktober 1951. Die Gedanken auf ihre Aufgabe gerichtet, wanderten die beiden Männer durch die Gänge des Grand Palais, als Crusoe auf eines der dort ausgestellten sportlicheren Autos zeigte und Walker fragte: „Warum können wir nicht auch so etwas wie das da haben?"
Genau so etwas haben wir gerade in Arbeit", war Walkers spontane Reaktion auf Crusoes Frage. Und so war es dann auch - das heißt, nachdem Walker sich dazu bequemt hatte, ein Telefon aufzusuchen, um seine Assistenten in Dearborn anzurufen. Als Crusoe in die Vereinigten Staaten zurückkehrte, war „genau so etwas" in Arbeit.
In den darauffolgenden Monaten war oft die Rede von einem „echten Ford Sportwagen". Man traf einige Vorbereitungen. In den Ateliers der Designer nahmen „Sportwagen auf Papier" langsam Form an. Alle Mitarbeiter hatten die Anweisung, mit der Arbeit an einem komplett neuen Ford für das Modelljahr 1955 zu beginnen.

Das ursprüngliche Konzept sah einen Zweisitzer mit Stoffverdeck vor. Zu den Vorgaben der Konstrukteure gehörte u.a. ein Gewicht von 1.300 kg, einen V8-Motor, gleichmäßige Gewichtsverteilung, bessere Beschleunigungswerte als die des Wettbewerbs und eine Spitzengeschwindigkeit von über 160 km/h.
Da die Zeit zur Anfertigung Maßstab getreuer Modelle nicht ausreichte, bestanden die ersten Design-Vorschläge aus mit Spritzpistolen zu Papier gebrachten Vollprofil-Darstellungen fünf verschiedener Fahrzeuge, die sodann ausgeschnitten und montiert wurden, so dass man sie wie Fahrzeuge auf der Straße betrachten konnte. Diese Methode war zwar unüblich, erfüllte aber dennoch ihren Zweck. Zwar führte keiner der Vorschläge unmittelbar zum endgültigen Fahrzeug, aber jeder lieferte Ideen für das Tonmodell in Originalgröße, das bereits erste Formen annahm.

Während der Tonmodell Entwicklung wurden weitere Entscheidungen getroffen:
- Die Gestaltung des Kühlergrills sollte den für Ford typischen, gebogenen Verlauf der oberen Linie mit einem Ferrari nachempfundenen Wabengrill verbinden.
- Aus der Notwendigkeit, eine Wölbung zur Aufnahme des Luftfilters zu verdecken, entstand eine schmucke Lufthutze für die Haube.
- Scheinwerferringe und Rückleuchten sollten unverändert von einer Ford Limousine übernommen werden.
- "Kugelförmige" Aussparungen am Ende der Stoßfänger nahmen den Zwillingsauspuff auf, damals der neueste Schrei und folglich ein Muss für den neuen Ford.

Am 18. Mai 1953 sah Crusoe zum ersten Mal ein komplett lackiertes Tonmodell. Es entsprach bereits wesentlich der Form des ersten Thunderbird-Serienfahrzeugs.
Die Entscheidung fiel im September 1953, als Crusoe - der sich in Paris aufhielt, um sich Sportwagen anzuschauen und sie mit den Tonmodellen in Dearborn zu vergleichen - zu dem Schluss kam, der Ford sei in Ordnung.
Obwohl die Serienproduktion erst im Herbst 1954 anlaufen sollte, und damit das neue Auto zu einem Modell des Jahres 1955 machte, konnte Ford es kaum erwarten, der Welt davon zu berichten. Es fehlte nur noch ein kleines Detail - der Name des Wagens.

Man erzählt sich, daß 5.000 verschiedene Namen geprüft wurden. Hep Cat, Beaver und Detroiter gehörten zu den - wenngleich wenig vornehmen - Favoriten der ersten Stunde. Ebenfalls vorgeschlagen wurden Runabout, Arcturus, Savile, El Tigre und Coronado. Crusoe war von den Vorschlägen nicht sehr beeindruckt und lobte für jeden besseren Vorschlag eine Prämie von $250 aus.
Ein junger Ford-Stylist, Alden „Gib" Giberson übergab seinem Chef eine Liste mit Namen, auf der sich auch einer befand, der schnell Zustimmung fand und letztendlich berühmt wurde - Thunderbird. Giberson war dieser Name eingefallen, da er einmal im Südwesten gelebt hatte, wo die Legende des Thunderbird noch immer lebendig war.
Der Name Thunderbird stammt aus den Wüsten Arizonas und Neu-Mexikos, wo nach einer Legende der Ureinwohner der Thunderbird - zu Deutsch Donnervogel - als göttlicher Helfer den Menschen zur Seite stand. Die Ausschläge seiner großen, für Menschen unsichtbaren Schwingen erzeugten Wind und Donner und gaben den Wüstenbewohnern das lebensnotwendige Wasser in der erbarmungslosen Wildnis, in die sie das Schicksal verschlagen hatte.
Chefstylist Frank Hersey, der ebenfalls aus dem Südwesten stammte und seiner Heimat sehr verbunden war, entdeckte den Namen auf Gibersons Liste und wählte ihn für das neue Auto aus. Aber als es soweit war, dass Giberson seinen Preis einheimsen konnte, verzichtete der bescheidene junge Designer auf einen Anzug, der einem heutigen Wert von 800 bis 1.000 Dollar entsprach und begnügte sich stattdessen mit einem Anzug für 95 Dollar mit einer zusätzlichen Hose von Saks Fifth Avenue.

Nachdem der Name nun unter Dach und Fach war und ein paar letzte Veränderungen vorgenommen wurden, war der Ford Thunderbird bereit für seinen Marktauftritt:
Das öffentliche Debut fand am 20. Februar 1954 bei der ersten Detroiter Automobilausstellung der Nachkriegszeit statt.
Der erste 55er Thunderbird rollte am 9. September 1954 im Ford-Montagewerk in Dearborn vom Band.
Der Verkauf begann am 22. Oktober 1954 - und mit ihm eine Legende, die mit jeder Generation von Thunderbird-Modellen noch stärker wurde.

Der ursprüngliche Thunderbird war ein rassiger Zweisitzer mit einer sauberen, schnittigen Linienführung auf einem 102 Zoll langen Radstand. Die Gesamtlänge betrug 175,3 Zoll, die Höhe gerade mal 54,2 Zoll und die Breite 70,3 Zoll. Als Leergewicht brachte der Thunderbird 3.180 Pfund auf die Waage.
Im Preis von 2.695 Dollar für das Basismodell war ein abnehmbares Hardtop-Verdeck inbegriffen, nicht aber das Stoffverdeck. Ebenfalls zur Serienausstattung gehörten Uhr, Drehzahlmesser, elektrisch verstellbare Sitze und der 292 ci "Y-block" V8-Motor. Praktisch rollte jedoch keines der frühen Thunderbird-Modelle vom Gelände des Händlers ohne Overdrive, Automatik-Getriebe und einem Großteil der angebotenen Servo-Optionen. Die Preise für die 55er Modelle bewegten sich so zwischen 3.000 und 4.000 Dollar.

Der 55er Thunderbird war eher ein persönlich gestaltetes Fahrzeugkonzept als ein Sportwagen. Dies beruhte auf einer Entscheidung, die Crusoe im Winter 1953-54 getroffen hatte. Die Verfolgung der luxuriöseren Richtung schuf die Grundlage für das Oberklasse- bzw. Luxussegment auf dem Fahrzeugmarkt, in dem der Thunderbird über Jahrzehnte hinweg die unangefochtene Führerschaft einnehmen sollte.
Der Thunderbird war von Anfang an ein Volltreffer. Käufer aller Altersgruppen und gesellschaftlichen Schichten beschrieben das Auto als „wunderbar", als „Meisterstück", als „fortschrittliches Fahrzeug" und „als Auto, das motiviert, sportlich zu fahren ist und Spaß macht". Ein europäischer Fan bat gar seinen amerikanischen Verwandten, den 1955er Thunderbird für ihn zu kaufen und nach Europa zu verschiffen.

Walt Woron, Chefredakteur des Magazins Motor Trend verkündete lauthals, dass „obwohl die Ford Motor Company es als Erste bestreiten würde, hat sie mit dem Thunderbird einen Sportwagen, und es ist ein guter dazu...Je öfter ich ihn fahre, desto mehr gefällt er mir," sprudelte es aus Woron heraus, der die Gestaltung der Instrumentafel ebenso pries wie die gute Straßenlage des Autos. Was Woron besonders beeindruckte, war die Art und Weise, wie sich der Thunderbird benahm: sicher und ohne Überraschungen, genau so wie die Konstrukteure es ihm aufgegeben hatten. Ferner schrieb Woron: „Man kann jede beliebige Kurve um 10 bis 15 Meilen pro Stunde schneller nehmen als mit dem 55er Ford".

Auch beim Publikum schlug der Thunderbird voll ein. Zehn Tage nach Verkaufsstart lagen bereits 3.500 Bestellungen vor. Dabei belief sich die Fertigungsplanung des gesamten Modelljahres auf gerade mal 10.000 Einheiten. Ford hatte sich mit dem einzigartigen Konzept auf unbekanntes Terrain gewagt und einen Volltreffer gelandet.

Trotz seiner Popularität war der Höhenflug des Thunderbird-Zweisitzers nur von kurzer Dauer. Unmittelbar nach seiner Einführung wurden bereits die ersten Änderungen vorgenommen. Das ursprüngliche Design hatte einige Probleme aufgeworfen: Das Cockpit brauchte eine bessere Entlüftung. Die Sicht schräg nach hinten musste ebenfalls verbessert werden und außerdem war ein größerer Kofferraum erforderlich.
Diese Mängel wurden bei den 56er Modellen behoben. Die Belüftung wurde durch an der Seite eingebrachte bewegliche Klappen verbessert, Bullaugenfenster sorgten für bessere Sicht nach hinten, und nachdem man nun den Ersatzreifen hinter dem Kofferraum montierte, gab es auch mehr Platz fürs Gepäck. Zur Serienausstattung kamen nun auch noch ein konkaves Sicherheitslenkrad und Sicherheitsverriegelungen der Türen hinzu. Sicherheitsgurte, ein gepolstertes und energieabsorbierendes Armaturenbrett sowie ein Spiegel aus Verbundglas waren auf Wunsch ebenfalls erhältlich. Weitere Verbesserungen, die noch in letzter Minute vorgenommen wurden, zum Beispiel der zusätzlich angebotene 312 ci V-8-Motor, sorgten bei diesem zweiten Serienmodell für noch besseres Handling und höhere Leistung.

Der 57er Thunderbird war als erstes Fahrzeug mit einer vollflächig gepolsterten Instrumentenanlage ausgestattet. Außerdem gab es als Zusatzausstattung elektrisch verstellbare Dial-O-Matic-Sitze und ein Radio, das die Lautstärke automatisch der Motordrehzahl anpasste. Nachdem es bei der Produktion der 58er Modelle zu Verzögerungen gekommen war, lief die Fertigung des 57er Thunderbird noch weitere drei Monate. Der letzte Zweisitzer rollte am 13. Dezember 1957 vom Band. Der sicherste Beweis, welchen Eindruck der Thunderbird-Zweisitzer in der Welt der Automobilisten hinterlassen hatte, wurde schon knapp vier Jahre nach Fertigung des letzten Fahrzeugs geliefert, als Dave Garroway, Moderator der TV-Show „Today", den Thunderbird einen „amerikanischen Klassiker" nannte. Eine solche Würdigung erfährt ein Fahrzeug normalerweise frühestens nach einigen Jahrzehnten.

In der Geschichte des Automobils hat selten ein Hersteller einen ähnlichen Erfolg erzielen können wie Ford mit dem Thunderbird. Er hatte Amerika und der Welt ein schmuckes Auto an die Hand gegeben, das durch und durch amerikanisch war - ein praktischer und bequemer Wagen für den Alltag und zum Verreisen und ein Auto, das bei aller Eleganz auch ein Unikat war, indem es Sportlichkeit mit ausgezeichneter Leistung und einem faszinierenden Stammbaum verband.
Auch in Deutschland hinterlässt der Thunderbird seine Spuren, DKW kopiert sein Styling recht ungeniert und bringt mit dem 1000SP ein zweitaktendes Cabriolet auf den Markt.

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