Ford Taunus 12m (P4)

Baujahre: 1962-1966 in Köln, Genk (B), Antwerpen(B), Azambuja (P, ab 1964) und Amsterdam (NL)
Stückzahl: insg. 680.206, davon 314.270 aus dem Werk Genk
Motor: 1,2 Liter V4-Motor mit 40 PS (1,5 Liter mit 50 PS, TS: 55 PS - ab Sept.'64 65 PS), wassergekühlt, hängende Ventile
Getriebe: Vierganggetriebe, Vorderradantrieb

Ford Taunus 12m Coupe (P4)
Taunus 12m Coupe

Völlig überrascht waren die deutschen Ford-Ingenieure in Köln-Niehl Anfang der 60er Jahre über das, was ihnen aus Detroit als Kuckucksei ins Nest gelegt wurde: ein Fronttriebler mit dem Codenamen Cardinal und halbiertem V8! Am liebsten hätten sie den Wagen samt Motor postwendend in die Staaten zurückgeschickt. Autos für den deutschen und europäischen Markt sollten schließlich auch in Köln entwickelt werden. Und ein deutscher Nachfolger für den Ford Taunus 12m (G13) unter dem Namen „NPX-C5“ war schon fast fertig entwickelt: Eine zweitürige Stufenheck-Limousine mit einem 1,0- oder 1,2-Liter-Frontmotor und Hinterradantrieb. Bei 3,70 Metern war der NPX zwar kürzer als der aktuelle 12 M, bot aber mindestens ebenso viel Platz im Innenraum. Die bescheidenen Maße beeindruckten die US-Kollegen allerdings wenig. Nun lautete der Plan, selbst eine Kompakt-Limousine zu entwerfen und diese in Deutschland für die USA bauen zu lassen – versehen mit dem Gütesiegel „Made in Germany“. Die grundsätzliche Linienführung des deutschen NPX nahmen sie auf, in Länge und Breite legte der Cardinal allerdings deutlich zu. Vor allem erhielt er eine längere Frontpartie, denn unter der Haube sollte eine für dieses Segment revolutionäre Bauweise einziehen: ein V-Motor mitsamt Frontantrieb. Die Amerikaner tauschten sich über dieses außergewöhnliche Fahrzeug intensiv mit ihren Kölner Kollegen aus. Im Laufe des transatlantischen Wechselspiels flossen letztlich sowohl Elemente des NPX und des Cardinal in die endgültige Version ein – manches Mal in harten Verhandlungsrunden festgezurrt. So erhielt der zukünftige Taunus P4 eine für die europäische Kompaktklasse sehr üppige Länge von 4,32 Metern. Dafür beschieden sich die US-Entwickler mit einem Hubraum von „nur“ 1,5 Litern – den die Deutschen bis zum Marktstart nochmals um 300 ccm verringerten.

Kurz bevor das „Projekt 4“ schließlich zur Serienreife gediehen war, entschloss sich die Konzernzentrale, das Auto weder in den USA zu fertigen noch es dorthin zu importieren. Dafür spendierte sie der deutschen Tochter ein hochmodernes Motoren- und Getriebewerk in Köln-Niehl, das innerhalb von nur anderthalb Jahren seinen Betrieb aufnahm.

Nur zögerlich akzeptierten die Kölner Ford-Motorenbauer das fremdartige Ding in V-Form, denn es machte Front gegen traditionelle, europäische Motorenbauprinzipien: zwei Zylinderreihen standen sich im 60-Grad-Winkel gegenüber. Natürlich hatten die Konstrukteure mit den Zweitakt-Dieselmotoren und "Flathead" V8 schon genügend V-Erfahrung gesammelt. Doch bei der V-Anordnung des Vierzylinders ahnten die deutschen Techniker Schlimmes, brachte sie doch einen entscheidenden Nachteil mit sich: Der V4 hätte ohne Ausgleichswelle gebockt wie ein wilder Mustang. Also hatten ihm die amerikanischen Ingenieure zur Zähmung eben jenes Gebilde verpasst, das gegenläufig zur Kurbelwelle über Stirnräder angetrieben wurde und gleichzeitig - über Keilriemen - Wasserpumpe und Lichtmaschine in Gang setzte. Die Motorsteuerung erfolgte ebenfalls über die Stirnräder: Die Kurbelwelle setzte die zentral liegende Nockenwelle in Gang, die ihrerseits mittels Ritzel Verteiler und Ölpumpe steuerte und für den richtigen Funken in den Zylindern sorgte - über Stößel, kurze Stoßstangen und Kipphebel. Trotz Ausgleichswelle mit Gegengewichten lief er nicht so ruhig wie klassische Reihenvierzylinder, dafür präsentierte er sich stets gut gekühlt: Gleich zwei Kühler, einer an der Stirnwand und einer hinter dem Kühlergitter sorgten für ausgeglichene thermische Verhältnisse.

Mit dem Rauhbein aus Detroit hatte sich aber noch ein artfremdes Ford-Produkt in das Kölner Werk eingeschlichen: eben jener Cardinal. Dieser Kompaktwagen mit dem Vogelnamen sollte der langsam steigenden Flut europäischer „Minis“ in den USA - allen voran dem Wolfsburger Käfer - Paroli bieten. Doch das ehrgeizige Projekt wurde im Endstadium abgebrochen und schließlich der deutschen Tochter am Rhein überlassen.
Optisch war er zwar deutlich konservativer als der 17M (die "Linie der Vernunft") geraten, aber auch er verfügte im Vergleich zu seinem Vorgänger über eine wesentlich niedrigere Dachlinie und bessere Sichtverhältnisse. Das Design des neuen Kompaktmodells – im vergleichsweise anglizismusfreien Sprachgebrauch von damals redete man meist von der Linie – sollte hohen ästhetischen wie praktischen Ansprüchen gleichermaßen gerecht werden. Ovale Heckleuchten, ein überstehender Kofferraumdeckel und eine große, über die ganze Breite laufende Heckscheibe sind charakteristisch für die rückwärtige Partie des neuen 12M.
Ein weiteres stilprägendes Merkmal der Baureihe war die markante „Bügelfalte“, die sich über die gesamte Seitenlinie des Fahrzeugs zog, zum Heck hin verbreiterte und schließlich in tropfenförmigen Rückleuchten mündete. Dass diese keine Blinkereinsätze in Orange aufwiesen, sondern in Rot blinkten, zeugt von der amerikanischen Herkunft des 12M. Dessen großzügig geschnittener Innenraum bot fünf Personen Platz und die breiten Türen erlaubten nicht nur bequemes Ein- und Aussteigen, sie fielen auch „mitternachtsleise“ ins Schloss. Die Sitze waren mit einer auf die Außenfarbe abgestimmten Stoff-/Kunststoff-Kombination überzogen, das „schüsselförmige“ Dreispeichen-Sicherheitslenkrad lag laut Ford bequem in der Hand. Der Instrumentenbereich mit einem quer verlaufenden, bis 140 km/h reichenden Tachometerband sowie Blinker-, Öldruck-, Ladestrom- und Fernlichtanzeige lagen breit im Blickfeld des Fahrers. Durch zwei Sperrklappen vor den Vordersitzen konnte Frischluft zugeführt werden und die Sonnenblenden waren gepolstert – Luxus pur!

Mit acht Varianten konnte sich auch die Farbvielfalt sehen lassen, sogar eine Zweitonlackierung wurde auf Wunsch aufgetragen. Dazu kam ein Sonderausstattungsprogramm zum Zungenschnalzen. Es gab Stoßstangenhörner mit Gummipuffern, einen abwaschbaren Kunststoffhimmel, Rückfahrscheinwerfer, einen Zigarrenanzünder (richtig, nicht Zigaretten – ZIGARREN!), Armlehnen und Aschenbecher im Fond und todschicke Weißwandreifen. In der Artenvielfalt konnte sich der 12 M locker mit heutigen Verwandlungskünstlern auf Multifunktions-Plattformbasis messen. Neben dem Zweitürer war die klassische Limousine auch in einer viertürigen Version zu haben, außerdem gab es eine dreitürige Kombivariante und sogar ein bildschönes Coupé zauberten die Kölner aus dem P4. Dazu nahmen sie die Limousine mit zwei Türen, verkürzten deren Dach und schufen dadurch völlig neue Proportionen mit einer eleganten, flach abfallenden Heckscheibe.

Weil der V4-Motor mit Getriebe, Differenzial, Antriebswelle und Kupplung eine Baueinheit bildete, ergab sich ein ungewöhnlich großer Innenraum. Weder Getriebe- noch Kardantunnel schränkten im ebenen Wagenboden den Fußraum ein und der Kofferraum („den zwei Ausgleichsfedern spielend heben“) bot mit 560 Liter Volumen ausreichend Platz für großes Gepäck.

Bereits im September 1960 war mit dem Bau eines neuen Motorenwerks in Köln begonnen worden, das mit einer Tageskapazität von über 800 Einheiten eben jene V-Triebwerke für den amerikanischen Cardinal produzieren sollte. Gut ein Jahr später hatten die Kölner Motorenbauer das unkultivierte und rau laufende V4-Findelkind von ursprünglich 1,5 auf 1,2 Liter Hubraum abgemagert, mit einem Solex-Fallstromvergaser versehen und für den Großserienbau vorbereitet. Dieser begann Anfang Juni 1962, anderthalb Monate vor dem Anlaufen der 12M P4-Produktion. Der Zylinderblock war mit dem Kurbelgehäuse vergossen, das verwendete Gussverfahren ermöglichte besonders dünne Wandungen und dadurch eine gute Motorkühlung über zwei separate Wasserkreisläufe.

40 PS aus 1.183 ccm Hubraum trieben bei 4.500 Umdrehungen pro Minute und einer Verdichtung von 7,8:1 den ersten frontgetriebenen Ford Taunus auf 125 km/h.
Doch nur dann, wenn keine Zündaussetzer infolge hängender Ventile dem brummeligen V4 die Power nahmen, was die Ford Mechaniker auch dazu bewog Ende September 1962 dünnere Ventilstößel einzubauen. Im gleichen Monat wurde eine weitere Kinderkrankheit beseitigt: Die Kraftstoffleitung brauchte sich nicht mehr dem Druck des Luftfilters zu beugen und abzubrechen. Mehr als 16 Millionen Mark waren aufgewendet worden, um die Qualitätskontrolle weiter zu verbessern. „Neuzeitliche“ Messgeräte und Maschinen, die Teile mit zu großen Toleranzen aus dem Produktionsprozess automatisch herauspickten, halfen dabei: Hier werden Messungen durchgeführt, die bis zu 1/100 mm exakt sind. Aufwändig waren auch die Prüfprogramme auf insgesamt 36 Einlauf- und drei Dynamometer-Prüfständen. Nach der Endmontage liefen die Motoren zwölf Minuten lang auf den Prüfständen und absolvierten eine gründliche Inspektion. Dazu kamen Stichproben, bei denen einzelne Triebwerke auf den Dynamometer-Stationen 300-, 500- oder gar 1000-stündige Dauertests absolvieren mussten. Zusätzliche Leistungs- und Qualitätsprüfungen der kompletten Antriebseinheit Motor, Getriebe und Achse erfolgten auf einem Spezialteststand.

Im September 1962 präsentierte Ford den Neuling schließlich der Presse – unter dem Namen Taunus 12 M und damit als Nachfolger des „Seitenstreifen-Taunus“. Die Fachmedien reagierten ausgesprochen positiv: Durch den amerikanischen Einfluss hatte Ford in Deutschland jetzt ein Fahrzeug zu bieten, das in Anschaffung und Unterhalt etwa so günstig war wie ein Kompaktwagen, dabei aber Platzverhältnisse und Fahrleistungen wie in der Mittelklasse bot. Früh prophezeite „auto, motor und sport“ dem 12 M den Durchbruch, „denn die echten Familienwagen um 5000 DM sind nicht allzu dicht gesät.“

Das sahen Deutschlands Autokäufer offenbar ähnlich: Nur ein Jahr nach Produktionsbeginn hatten bereits 160.000 neue P4 einen Käufer gefunden. Der 12 M bot halt exakt das, was seine Erzrivalen Käfer und Kadett vermissen ließen: viel Platz. Weil der V4-Motor mit Getriebe, Differenzial, Antriebswelle und Kupplung eine Baueinheit bildete, ergab sich für die Passagiere ein ungewöhnlich großer Innenraum. Weder Getriebe- noch Kardantunnel schränkten im ebenen Wagenboden den Fußraum ein. Der Kofferraum bot mit 560 Litern Volumen ausreichend Platz für großes Gepäck. Zudem stand der Frontantrieb für ein sicheres Fahrverhalten.

Ford 12m P4 Kombi 1962

Beim 4-Gang Getriebe war sogar der erste Gang synchronisiert, damit es beim Gangeinlegen nicht anfängerhaft kratzt. Mit immer neuen Varianten baute Ford in den kommenden Monaten die Modellpalette aus. Geradezu unverwüstlich präsentierte sich ab September 1963 auch eine abgespeckte 1,5-Liter-Version mit gesunden 50 Pferdestärken, im März kam der dreitürige Kombi mit 475 kg Nutzlast hinzu. Vervollständigt wurde das Angebot dann im September mit einer viertürigen Limousine und einem Coupé, bei dem sich die Frontscheibe ins Dach wölbte.

Die letzte Änderung im P4 erfuhr das Anderthalb-Liter-Triebwerk ein Jahr später: Mit 65 PS und einer Verdichtung von 9,0:1 avancierte der V4 zum Star im 12M TS, der besonders als Coupé hervorstach. Um die verschiedenen Motorversionen auch optisch auseinander zuhalten, versahen die cleveren Ford-Mannen die schwarzgespritzten Kurzhuber mit farbigen Ventildeckeln. Schließlich sollten die Mechaniker der Ford-Vertragswerkstätten möglichst rasch den jeweiligen Typ identifizieren, ohne lange nach dem eingestanzten Motorcode suchen zu müssen. So zeigte sich die 1,2-Liter-Version erst mit blauen, dann mit grünen Häubchen, der 1,5-Liter-V4-LC (low compressed = niedrig verdichtet) abwechselnd grün und blau, und der HC-Kraftprotz (HC = high compressed) signalisierte „rot“.

Die Standfestigkeit des Motors stellte Ford im Spätherbst des Jahres 1963 eindrucksvoll und werbewirksam unter Beweis. Mit einer serienmäßigen 12M Limousine spulten Testfahrer auf der alten Miramas-Rennstrecke in Südfrankreich in 5 Monaten und 19 Tagen eine Strecke von 360.000 km ab, was der Entfernung Erde-Mond entspricht. Aber auch das Glück des Tüchtigen, womöglich in Kooperation mit einem französischen Hochgeschwindigkeits-Schutzengel, war dem 12 M und seinen Betreuern bei dieser Pioniertat hold. Am 29. Oktober gegen drei Uhr morgens war der Fahrer beim Kilometerstand 284.275 durch die monotonen Runden eingenickt und von der Piste abgekommen, hatte sich überschlagen und war – praktisch bis zur Unkenntlichkeit zerknödelt – auf allen Vieren wieder auf der Strecke gelandet. Der Fahrer, der das Ganze körperlich unversehrt überstanden hatte, schob den Havaristen aus eigener Kraft an den Kontrollpunkt – so verlangten es die strengen Bestimmungen der FIA, wenn das Unternehmen weitergehen sollte. Es ging tatsächlich weiter, wenn auch erst nach einer elfstündigen Reparatur mit bordeigenem Werkzeug –, auch das eine FIA-Vorschrift. Der unkaputtbare, mühsam zusammengeflickte 12M zog von nun an im Zombiekostüm, ansonsten aber ungerührt weiter seine Bahn. Noch weitere 14.785 Runden, um genau zu sein, oder: noch weitere 73.998 Kilometer. Nach 360.000 Kilometern endete des Meisterstücks Mondfahrt mit zerknautschter Karosserie (das Auto sah danach aus wie eine sorgfältig geflickte Mumie) und neuen Langstreckenrekorden. Das Rauhbein hatte seine Standfestigkeit bewiesen, lediglich ein paar Wartungsarbeiten und Reparaturen ließ die Techniker auf den Plan treten. Beim Tachostand von 218.184 Kilometern war eine neue Ölpumpe fällig, und nach 258.534 gefahrenen Kilometern musste ein Stoßdämpfer ausgewechselt werden. 145 Langstrecken-Weltrekorde wurden bei dieser Gelegenheit gebrochen, die Durchschnittsgeschwindigkeit lag bei 106,5 km/h - trotzdem griff die NASA für die Mondlandung später doch auf eine Apollo-Rakete zurück. Über eine halbe Million Franc ließen sich Ford und BP dieses Experiment kosten. Die unter der Kontrolle der Fédération Internationale de l ʻAutomobile aufgestellten Rekorde wurden der FIA zur Bestätigung vorgelegt. Der 12M, der bis heute überlebt hat, wurde nach Köln zurückgeschickt, um dort von Versuchsingenieuren und Qualitätskontrollspezialisten in einer Reihe von Tests untersucht zu werden.

Für den Fahrgenuß auf der Erde präsentierte im gleichen Jahr die Kölner Karosseriebaufirma Deutsch ein viersitziges Vollcabriolet. Die Modellpflege beschränkte sich ab jetzt auf technische Verbesserungen (neue Vorderachs-Aufhängung, vordere Scheibenbremsen, Startautomatik, Frischluftdüsen am Armaturenbrett).

Weitestgehend unbekannt blieben die in Uruguay vom Ford Händler Guillermo Greising, Perez Marín, Cedres und Etchem 1967-69 montierten FT1500 und FT1700 mit 12m Teilen und örtlicher Lieferanten (Polster, Stoßstangen, Verglasung usw.). Damit wollte man Ford Köln beweisen, daß in Uruguay eine Lizenz-Produktion möglich ist. Die nur als 2-Türer angebotenen Fahrzeuge unterschieden sich vom 12m nur durch eine schmale, seitliche Zierleiste und natürlich den 1.7 Liter Motor. Köln gab wohl seinen Segen und lieferte Teile für die insgesamt rund 50 entstandenen Fahrzeuge, verbot aber die Verwendung der Namen "Ford" und "Taunus". Ein FT1500 wurde sogar im Motorsport beim "Grand-Prix 19 Capitals" eingesetzt, lag zeitweise in Führung bis die Windschutzscheibe zu Bruch ging und der Wagen ohne Sprit liegen blieb.

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