Ford Taunus 15m de Luxe
1955
Die 37. Internationale Automobilausstellung in Frankfurt zeigte auf dem Ford-Stand Edles: einen Ford 15M de Luxe. Dieser Nobelponton brillierte durch sein extravagantes Aussehen: Modische Haifischzähne und bullige Stoßstangenhörner säumten die markante Front; eine dreifach abgesetzte Zweifarbenlackierung, Weißwandreifen, eine luxuriöse Innenausstattung und jede Menge Chrom verliehen dem Wirtschaftswunderwagen Exklusivität. Den „de Luxe“ gab es nur als Limousine; dagegen war die Palette der Normalausführung mit Limousine, Kombi/Kasten und Cabriolet (von Deutsch) gut bestückt. Die Presse lancierte schnell den Begriff "Dienstmädchen im Abendkleid".
Der 15M (G4B) sollte als Konkurrenz zu Opel Olympia-Rekord und Borgward Hansa auftreten. Dafür musste ein stärkeres Triebwerk zum Einsatz kommen, das die Ford-Ingenieure aus Plänen für einen 1,2-Liter-Reihenvierzylinder-Motor abwandelten. Die Konstruktion, an der auch Porsche Konstrukteure Schützenhilfe geleistet haben sollen, besaß neben einer hohlgegossenen Kurbelwelle hängende Ventile mit seitlich liegender Nockenwelle. 55 PS leistete die überquadratische 1,5-Liter-Maschine, die den 15M auf eine Höchstgeschwindigkeit von fast 130 km/h beschleunigte. So beflügelt reichte es für ADAC Sportchef J.Springer beim letzten echten Mille Miglia Straßenrennen in Italien 1957 sogar zu einem Sieg in der Spezial-Tourenwagen Klasse. Auch bei anderen Motorsportveranstaltungen konnte der 15M vorne mitspielen.
An
der Radaufhängung ist gegenüber dem 12M nur wenig geändert worden. Der
vordere Federweg wurde verlängert, die Federn der
Hypoid-Hinterachse werden beim Durchfedern durch Gummipuffer
abgestützt, woraus man eine progressive Wirkung ableitet.
Äußerlich unterschied sich der
große Bruder vom 12M durch geänderte Rückleuchten, modifizierte
Zier- und Chromleisten, einen horizontal durchlaufenden Kühlergrill
und vordere, zusätzlich die Breite des Wagens betonende Blinker. Neu
waren auch der Tankeinfüllstutzen hinter dem Nummernschild, eine elegante
Innenausstattung mit Breitbandtacho und hängende Pedale (im Gegensatz
zum 12M mit Rundinstrumenten und stehendem Pedalwerk).
Eine weitere Änderung gab es für die 55er 12M/15M-Modelle: Der Kühlergrill war bei beiden durchgehend (horizontal) und mit kleinen Quadraten bestückt - beim 12M etwas gröber, beim 15M feiner. Vollsynchronisiert konnte jetzt das Dreigang-Getriebe geschaltet werden. Die 15M Ausstattung wurde zugunsten des neuen 17M etwas vereinfacht, die de-Luxe-Version ersatzlos gestrichen. Dafür freuten sich Ford-Stammkunden wieder über den Kombi, den es nun als 12M und 15M gab.
Ein Aufsatz des damaligen Kölner Ford Chefkonstrukteurs Dipl.-Ing. Streit beschreibt Hintergründe der 15M Entwicklung:
"Wir bauten einen neuen Wagen‘: [...] Es steigt also eine direktionale
Konferenz, auf der das nächste Modell, „in seinen Grundzügen“
festgelegt wird. Die Konferenz kann viele Stunden dauern, die Formel,
auf die sich die Herren einigen, hätte man doch schon vorher aufsagen
können. Sie lautet: schöner – stärker – billiger! Sie hat immer so
gelautet – seit der Erfindung des Automobils.“
[...] Karosseriekünstler braucht man nicht anzueifern. [...] Die Forderung „stärker – billiger“
bereitet dagegen mehr Kopfzerbrechen. [...] Die kaufmännisch
begabten Herren haben dafür ein schönes Wort: höheren Wert für den
gleichen Preis. [...] Mit den PS allein kann man heute
den Leuten nicht mehr imponieren, denn jedermann weiß, was selbst aus
kleinen Sport- und Rennmotoren herausgekitzelt wird, bei denen niemand
nach dem Fahrkomfort und nach der Lebensdauer fragt. Hier haben wir die
springenden Punkte. Wir mussten einen starken Motor bauen, dessen
Energieentfaltung aber nicht nur der Endleistung, sondern auch, ja vor
allem der Elastizität, dem Anzugsvermögen, also einem hohen Drehmoment
in allen praktisch verwertbaren Drehbereichen zugutekommen sollte. Und
seine Stärke durfte nicht durch zu große Gewichtserhöhung erkauft
werden. [...]
Da wir in der glücklichen Lage waren,
alles, aber auch alles neu machen zu dürfen, bauten wir nicht nur einen
Kurzhuber, sondern einen Über-Kurzhuber oder – wie die Amerikaner sagen
– einen ,überquadratischen‘ Motor. Da seine Bohrung 82 mm beträgt, sein
Hub aber nur 70,9 mm, sind seine Kolbenräume „dicker als hoc“‘. Sie
gehören meines Wissens – wenn diese etwas gewagte Formulierung erlaubt
ist – zu den „überquadratischsten“ Hubräumen im europäischen
Motorenbau. Da die Kolben somit nur einen sehr kurzen Weg zurückzulegen
haben, können sie sich verhältnismäßig viel Zeit lassen. Die
Kolbengeschwindigkeit beträgt also bei 4250 U/min „nur“ 10,04 m/sec.
Das muss sich reibungsvermindernd, also verlustsparend und
materialschonend auswirken. Die schönste Eigenschaft des
„überquadratischen‘ Hubraumes“ ist aber die Größe seines „Deckels“. In
ihm kann man zwei übergroße Ventilöffnungen unterbringen. Unsere
Einlass-Ventilteller haben einen Durchmesser von 39,2 mm. Nirgendwo in
den vergleichbaren Bereichen des europäischen Motorenbaus gibt es
Ventilöffnungen, die in einem so günstigen Verhältnis zum
Bohrungs-Durchmesser stehen.
Es liegt auf der Hand, dass das
Treibstoffgemisch umso ungehinderter einströmt, dass die Füllung umso
besser und vollkommener wird, je größer die Ventilöffnung des
Ansaugkanals ist; und dass auch die Verbrennungsgase nach vollbrachter
Arbeit umso leichter und gründlicher entweichen, je größer die Öffnung
des Auspuffventils bemessen wird. Wir haben noch ein Übriges getan und
dem Verbrennungsraum eine Gestalt gegeben, die sich bei den jüngsten
Schöpfungen des amerikanischen Motorenbaus hervorragend bewährte. Diese
Formgebung bewirkt, dass das Treibstoffgemisch am Ende des
Verdichtungsvorgangs wie von den sich zusammenpressenden Backen in den
Verbrennungsraum gequetscht und dort hochgewirbelt wird, wodurch eine
noch bessere Mischung, eine noch wirksamere Zündung und Verbrennung
erfolgt und Klopferscheinungen praktisch ausgeschlossen sind.
Durch diese Konstruktion haben wir
ein Drehmoment erzielt, das sich dem Fachmann in einer gewiss
eindrucksvollen Kurve darstellt und im Fahrbetrieb eine in dieser
Klasse noch nicht dagewesene Elastizität, Anzugs- und Bergfreudigkeit
erzeugt. Nicht minder eindrucksvoll ist der hohe thermische
Wirkungsgrad, der sich von der Treibstoff-Verbrauchs-Kurve und der die
mittleren Kolbendrücke darstellenden Kurve ablesen lässt.
Es ist uns tatsächlich gelungen, den
Benzinverbrauch dieses um mehr als 30% stärkeren Motors in Grenzen zu
halten, die nur ganz unwesentlich über denen des 12M liegen. Diese
ungewöhnliche Wirtschaftlichkeit des neuen Wagens wird nicht nur in dem
nach DIN-Normen ermittelten Normverbrauch sichtbar, der ja in der Regel
nur eine theoretische Größe darstellt. Wir haben vielmehr mit mehreren
Wagen, Repräsentanten der 1,5-Liter-Klasse, Verbrauchsprüfungen auf
langen Strecken über 500 km vorgenommen, die so weit als möglich dem
praktischen Fahrbetrieb angeglichen wurden. Jeder Wagen war mit drei
Personen belastet und die Route war so gewählt, dass 20% auf Straßen
2. Ordnung, 57% auf Straßen 1. Ordnung und 23% auf Autobahnen
entfielen, wobei im allgemein hügeligen Gelände ein Durchschnitt von 55
km/h gehalten wurde. Der Verbrauch des Taunus 15 M betrug 8,1 Liter je
100 km, ein Resultat, das sich sehen lassen kann.“
Jeder einigermaßen vernünftig
fahrende Taunus 15 M-Besitzer kann also damit rechnen, dass sich sein
Wagen tatsächlich an den angegebenen Normverbrauch hält und auf
unvermeidliche Mehrbelastungen durch schwierigere Straßenverhältnisse
nicht gleich mit steil ansteigenden Verbrauchsquoten reagiert. Damit
ist erwiesen, dass höhere Leistung, größeres Anzugsvermögen nicht
einfach durch größeren Energie-Verbrauch bewirkt werden. Sie sind die
Frucht neuer Erkenntnisse im Motorenbau und ihrer praktischen Anwendung
durch Konstrukteure, die unbehindert neue Wege gehen durften.
Auch die Aufgabe, einen größeren
Motor mit größerem Hubraum und wesentlich größerer Kraftentfaltung
dennoch einfach, robust und dabei kaum größer und schwerer als seinen
Vorgänger zu bauen, führte zu vielfach neuen konstruktiven Lösungen.
Das auffälligste Beispiel ist wohl die Kurbelwelle, die wir – erstmalig
im Pkw-Bau der Welt – hohl gegossen haben. Sie ist ein Spitzenprodukt
der modernen Gusstechnik. Ein Rohr ist bei gleichem Materialaufwand
bekanntlich fester als eine volle Welle. Soll es die gleiche
Widerstandsfähigkeit aufweisen, so wird es dementsprechend leichter.
Unsere Kurbelwelle ist aber nicht nur leichter – wir wollten nicht nur
Gewicht sparen – sie ist auch in sich besser ausbalanciert als eine
volle Welle und daher auch steifer.
Der Zwang zur Gewichtsersparnis
erwies sich auch in anderen Fällen als überaus heilsam. Wir unternahmen
bei der Neugestaltung des Blocks eine förmliche Jagd nach überflüssigem
„Fleisch“, das der Kühlung hindernd im Weg steht. So haben wir
beispielsweise die Wasserräume an den Ventilführungen viel größer als
herkömmlich dimensioniert und durch geschickte symmetrische Anordnung
eine vollkommen gleichmäßige Kühlung der Ventilschäfte erreicht. Dabei
ergab es sich dann, dass man auf die bisher üblichen, die Kühlung
gleichfalls behindernden Ventilführungsbuchsen überhaupt verzichten
konnte. Die Ventilstößelkammer wurde bisher allgemein mit einem
Blechdeckel verschlossen, der keine tragende Funktion ausübte. Wir
haben die Stößelkammer in den Block eingegossen. So ergab sich eine
tragende Außenwand, die zur Steifheit des ganzen Blocks beiträgt.“
An den Zylinderbohrungswänden waren
seit eh und je Gussaugen angewachsen, die die Stehbolzen zur
Befestigung des Zylinderkopfes aufnahmen. Sie behinderten nicht nur die
gleichmäßige Kühlung der Zylinderwände, sie übertrugen beim Anziehen
der Zylinderkopfschrauben auch höchst unerwünschte Zugkräfte gerade auf
die hochempfindlichen Zylinderwände und führten zu unerwünschten
Verformungen. Wir haben daher die Schraubbolzen an die Blockwand
verbannt. Der Block wurde bis weit unter die Kurbelwellenmitte
heruntergezogen und eignet sich so ausgezeichnet zum Einpassen der
Kurbellagerdeckel. Damit fangen wir Seitenkräfte auf, die bisher nur
durch höheren Materialaufwand eingedämmt werden konnten. Das führte auf
der Kupplungs-Seite dazu, dass nun auch das Kupplungsgehäuse nicht nur
mit seiner oberen Hälfte, sondern mit zwei Dritteln seines Umfangs an
den tief heruntergezogenen Motorblock angeflanscht wird, woraus sich
wiederum eine vermehrte Steifheit des Motor-Getriebe-Blocks ergibt. So
haben wir immer möglichst viele Fliegen mit einer Klappe geschlagen und
mit jeder Materialersparung zugleich auch die Steifheit, also die
Robustheit des Motors, vermehrt, die Kühlung verbessert, die
Produktionsbedingungen erleichtert.
Auch das Getriebe wurde nicht nur der
Leistung und dem Drehmoment des Motors angepasst, es wurde ihm auch die
vielfach bewährte Sperrsynchronisierung gegeben, die nun auch bei
robuster Fahrweise geräuschloses, weiches Schalten sicherstellt. Und da
die Frage „Drei- oder Viergang?“ von der Technik her überhaupt nicht zu
beantworten ist, weil es sich dabei weniger um ein technisches Problem
handelt, als um eine Temperamentsfrage, überlassen wir die Wahl dem
Käufer. Er kann also auch ein Vier-Gang-Getriebe haben, obwohl gerade
dieser Motor mit seinem starken und hochelastischen Motor, der aus
allen Geschwindigkeiten überzeugend gut beschleunigt, mit dem Dreigang
ganz gewiss auskommt.
Für die Kraftübertragung auf die
Hinterräder wählten wir die spiralverzahnte Hypoid-Achse, die beste
Hinterachskonstruktion. Sie arbeitet geräuschlos, ist leicht und klein
in ihren Abmessungen und doch sehr robust. Bei unseren Bemühungen, auch
das wirklich hervorragende Fahrwerk des 12M für den neuen Wagen
weiterzuentwickeln, fanden wir ein Ei des Columbus, auf das wir recht
stolz sind, weil es beweist, dass man selbst im Automobilbau noch zu
überraschend einfachen und dennoch überzeugenden Lösungen gelangen
kann. Das ist die „progressive Hinterfeder“. Hinter ihrem ersten
Drittel ist über der Blattfeder ein starker Gummipuffer angebracht. Bei
starken Stößen legt sich die Feder auf diesen Puffer. Sie wird dadurch
um das vordere Drittel verkürzt. Als kürzere Feder schwingt sie weniger
durch, fängt sie den Stoß energischer auf. Sie passt sich also
progressiv der Beanspruchung an.
Da man ein Durchschlagen nicht mehr
zu fürchten hat, kann man die Feder für normale Fahrt weicher halten
und die Stoßdämpfer entsprechend abstimmen. Der Erfolg ist
überraschend. Obwohl die Federung jetzt alle Unebenheiten verschluckt,
sind auch die letzten Reste der Nickschwingungen beseitigt und die
Straßenhaftung ist womöglich noch besser geworden. An der
Vorderradaufhängung haben wir beim besten Willen nichts Wesentliches
ändern können. Hier wurde nur die übliche Kleinarbeit geleistet, die
u.a. zur Verlängerung des Federungsweges und zu einer weiteren
Verminderung der Schmierstellen führte. Eine der Leistung des Taunus
12M entsprechende größere Bremswirkung wurde durch den Einbau von
Duplex-Bremsen in den Vorderrädern und durch eine Vergrößerung der
Bremsfläche in den Hinterrädern gesichert.
Weitere Einzelheiten – auch wenn sie
durchaus technischer Art sind – gehören zu den Kapiteln „Schönheit‘ und
,Komfort“. Hierüber möchte ich mich nicht auslassen, weil diese Dinge
ohnehin sichtbar sind, durch den bloßen Anblick überzeugen und keiner
Erklärung bedürfen. Ich brauche beispielsweise nicht zu erläutern,
weshalb wir dem Taunus 15M hängende Pedale gegeben haben. Wer sie
bedient, hat das nach fünf Minuten selbst heraus. Und ich meine, dass
ein Chefkonstrukteur sich nicht über die Qualität der Polsterung und
über die Anzahl der Aschenbecher auslassen sollte. In den ersten
Nachkriegsjahren hat man die Neuheit eines neuen Modells manchmal recht
mühsam begründen müssen. Heute aber schätzt man sich glücklich, weil
man über wirkliche Neukonstruktionen auch wirklich Wesentliches
auszusagen hat."
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