Ford Karosserieschneider Teil 18 – Karmann

 

Karmann LogoWährend wir gebannt den Überlebenskampf der US-Riesen GM und Chrysler in den Medien verfolgen, schließt - von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt - ein deutscher Traditionsautobauer in diesem Jahr für immer seine Pforten.Karmann Belegschaft 1908

Der Firmengründer Wilhelm Karmann übernahm 1901 die 1875 gegründete Wagenfabrik Klages und baute seit 1902 zunächst Karosserien, bald auch komplette Fahrzeuge für fast die gesamte Autoindustrie. Doch nun haben die Hersteller selbst Probleme, ihre vorhandenen Kapazitäten auszunutzen und für den Cabrio-Spezialisten fällt nichts mehr ab. Die Schließung der zwei Werke ist unabwendbar, denn Karmann hatte niemals ein eigenes Vertriebsnetz und kann deshalb nicht auf „eigenes Risiko“ Fahrzeuge bauen und verkaufen. An Ideen zu neuen Fahrzeugkonzepten hätte es nicht gemangelt, wie die Reihe der Show-Cars beweist, die im Laufe der letzten Jahrzehnte entstanden. Man kann sie (nach Anmeldung) in einer Fahrzeugsammlung in Osnabrück bestaunen - neben den vielen im „Kundenauftrag“ gebauten Fahrzeugversionen - und es waren nicht nur Cabrios.

Grund genug, einmal Revue passieren zu lassen, welche Ford-Modelle in Osnabrück bzw. Rheine - und nicht in Köln – gebaut worden sind. Wer immer geglaubt hat, Ford-Cabrios seien - wenn schon – bei Deutsch entstanden, der irrt. Zwar wurden bei Deutsch bis in die sechziger Jahre immer wieder kleine Serien der jeweils aktuellen Modelle „aufgemacht“ doch die Statistik zeigt: Fahrzeuge Stückzahlen hat eigentlich nur Karmann gebaut.

Angefangen hat die Geschäftsverbindung mit einer Serie von Roadstern auf Basis des Eifel. Hauptkunden waren zu jener Zeit allerdings Adler und Hanomag. Nach dem Krieg baute man auf Basis des Käfers eine Cabrio-Version, die - nachdem VW entschieden hatte, dieses in das offizielle Verkaufsprogramm zu übernehmen - zum Hauptgeschäft von Karmann werden sollte.

Käfer 1950 vor dem Osnabrücker Rathaus
Käfer 1950 vor dem Osnabrücker Rathaus

Es gab zwar auch eine kleine Zahl von Taunus-Cabrios (Buckel), aber erst zwischen 1952 und 1955 folgte eine erste größere Serie von Kombis als 12m bzw. 15m für Ford.

Taunus 12m Kombi1953 erschien wiederum auf Basis des Käfers ein Coupé, entworfen von Ghia. Mit der offiziellen Verkaufsbezeichnung VW Karmann-Ghia rückte das Unternehmen jetzt in das Bewußtsein der Öffentlichkeit. Man verband den Namen Karmann hinfort mit diesem Fahrzeug, von dem es ab 1957 auch eine Cabrioversion gab. Die Geschäftsbeziehung mit Ford schlief jedoch nach 1955 für viele Jahre ein.

Porsche lies ab 1961 den 356 als Hardtop-Coupé bauen, BMW ab 1965 die Karosse des BMS 2000CS und Opel eine kleine Serie des Diplomat-Coupés.

Auf der Basis des VW Typ 3 (1500) erschien 1961 der „große Karmann-Ghia“ - mit bis 1969 ca. 42.000 gebauten Exemplaren allerdings längst nicht so erfolgreich, wie der kleine Bruder. Der wurde bis 1974 immerhin 362.000mal vom Band gelassen!

Viele Versuche, den Käfer durch ein moderneres Fahrzeug zu ersetzen, waren bei VW im Prototypenstadium stecken geblieben, doch 1974 war der luftgekühlte Heckmotor endlich passé. Bereits wenige Monate vor dem Golf erschien ein Coupé mit dem künftigen Antriebskonzept, der Scirocco. Karmann baute das von Giorgio Giugiaro kreierte Fahrzeug bis 1981 insgesamt über 500.000 mal. Der folgende Scirocco II brachte es bis 1992 immerhin noch auf knapp 300.000 Stück. Bereits 1976 hatte Karmann den Prototyp eines Golf-Cabrios realisiert - allerdings noch ohne Überrollbügel und mit vollversenkbarem Dach. Volkswagen war nicht abgeneigt, forderte aber Änderungen, um das Fahrzeug auch in USA verkaufen zu können. 1979 kam dann die Serienversion des „Erdbeerkörbchens“ auf den Markt. Im Januar 1980 verlies das letzte Käfer-Cabrio die Werkshalle. Ca. 330.000 Stück waren seit 1952 entstanden.

1983 kam dann auch Ford wieder ins Spiel. Auf Basis des Escort III entstand ein direkter Konkurrent zum Golf-Cabrio. Das Konzept entsprach denn auch dem des erfolgreichen Golf - nur diesmal mit Kofferraum! Im Werk Rheine wurde das Cabrio mit drei verschiedenen Motorisierungen (69, 79 und 105 PS) gebaut. Das dick gefütterte Faltverdeck mit integrierter heizbarer Heckscheibe läßt sich fast mühelos öffnen und schließen. Im geöffneten Zustand verschwindet es fast vollständig hinter der Fondsitzlehne. Der Platz reicht für vier Personen, der Kofferraum faßt rund 320 Liter, was für diese Fahrzeugklasse außergewöhnlich geräumig ist. Das Verdeck muß etwas umständlich mit einer Persenning abgedeckt werden. Etwa 80 Prozent aller Blechteile hatten geändert oder neu konstruiert werden müssen. Gegen Aufpreis konnte das Dach auch elektrisch betätigt werden. 1986 wurde die Karosserie einem leichten Facelift unterzogen, neue Scheinwerfer und ein überarbeitetes Cockpit prägten den Mk IV. Bis 1990 entstanden 104.000 Einheiten dieser ersten Serien.

Ford vergab noch einen zweiten Fertigungsauftrag an Karmann: 1984 wurde eine Version des Sierra, der Merkur XR4Ti auf Band gelegt. Das Fahrzeug hatte einen 2,3 Liter-Einspritzmotor mit 175 PS und wurde in den USA von Mercury-Händlern verkauft. Bis Ende 1989 wurden 45.000 Stück produziert. 1990 erschien der wiederum leicht veränderte Escort Mk VI. Neben anderen Leuchten und hinten ist ABS jetzt serienmäßig. Die letzte Bauserie war der Mk VII, wieder andere Frontscheinwerfer und Rückleuchten, rundere Stoßstangen und Doppelairbags in Serie. Der Escort bot neben dem Golf und dem Audi Cabrio eine der wenigen Möglichkeiten einen Open-Air-Diesel zu bewegen. Das Escort Cabriolet ist allerdings recht selten mit dem 90 PS starken Turbodiesel bestellt worden. Zwischendurch (1992) wurde noch eine kleine Serie des Escort RS Cosworth aufgelegt. Nach insgesamt 185. 000 gebauten Klappdach-Fords lief die Produktion schließlich 1997 aus.Focus C170 Cabrio Prototyp

Karmann hatte zwar auf eigenes Risiko einen Prototypen des Focus-Cabrios gebaut, doch Ford biß diesmal nicht an. Die Kooperation zwischen Karmann und Ford ist damit Geschichte.

Erst 2006 wird mit dem Focus-Cabrio wieder ein Fahrzeug von Ford in diesem Marktsegment angeboten - entwickelt und gebaut allerdings von Pininfarina.

Karmann baute noch bis 2002 das Cabrio auf Basis des VW Golf III. Es lief ebenfalls ohne direkten Nachfolger aus. Der Prototyp eines Vento-Cabrios fand keine Gnade bei VW-Chef Piech. Obwohl damit ein bisher wichtiges Standbein für Karmann weggeknickt war, hatte man mit der Fertigung des Audi A4-Cabrios und des CLK-Cabrios (A 208/209) für Mercedes ausreichend zu tun. Auch von Chrysler (DaimlerChrysler) konnte ein Auftrag hereingenommen werden, doch der „Crossfire“ (2003 - 2007) wurde für die Absatzplaner zur Enttäuschung. Audi und Mercedes hatten ihre Fabriken inzwischen stark durchrationalisert, so daß die jeweiligen Folgegenerationen der aktuellen Cabrios locker in die eigene Fertigung genommen werden konnten. Die letzten Mercedes CLK liefen im Febr. 2009 vom Band - Die Lichter gingen bei Karmann nun endgültig aus...

So zeugen also nur noch die in einer Halle vor dem Werkstor in Osnabrück versammelten Exponate von der wechselvollen Geschichte des Hauses. Künftig fungiert Karmann nurmehr als Hersteller der Dachkomponenten - die Fahrzeuge selbst entstehen bei den bisherigen Kunden. Entwicklungshilfe will man dazu allerdings auch anbieten.

Hartmut Nikolaus / Alt-Ford-Freunde


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