Fords' Karosserieschneider [Teil 4] - Fahrzeugfabrik Peter Bauer
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1996 fiel der Hammer in Köln-Ehrenfeld: Nach mehr als 120 Jahren schloss die renommierte Karosseriefabrik Peter Bauer ihre Tore für immer.

Der Bühnenboden war mit dunkel glänzendem Kopfsteinpflaster ausgelegt, die Hintergrundkulisse bestand aus einer pockennarbigen Betonwand. Davor standen ein paar kleine, zerzauste Bäumchen. Eine unwirtliche Szenerie, vor der die Darsteller aber grandios aufspielten: Da präsentierten sich charaktervolle Originale ebenso wie einträchtige Mannschaften, kernige Burschen für's Grobe ebenso wie sensible Spezialisten für delikate Aufgaben. Die Lukasstraße im Kölner Stadtteil Ehrenfeld war jahrzehntelang die Schaubühne für interessante Nutzfahrzeuge. Hier lag der Haupteingang der Fahrzeugfabrik Peter Bauer, und am Bahndamm posierten die gerade fertiggestellten Produkte für den Fotografen. Tausende von Lastwagen, Anhängern und Omnibussen präsentierten sich vor der Betonmauer der Bahnstrecke von und nach Aachen.
Heute erinnert in der Lukasstraße nichts mehr an die Bauer-Zeit. Das Werk wurde abgerissen, die Fahrbahn asphaltiert und die Bahntrasse ausgebaut. Nur die Bäume flankieren die Lukasstraße als mächtige Schattenspender noch immer.
Fast 125 Jahre lang existierte das Unternehmen Peter Bauer. Es baute in dieser Zeit nicht nur robuste Pritschen, Kipper, Kasten und Koffer, sondern entwickelte auch Kommunalfahrzeuge, Omnibusse und zahllose Sonderaufbauten. Selbst an Personenwagen versuchte sich der ,,Karosserie-Bauer". Gegründet hatte den Betrieb der Huf- und Wagenschmied Peter Bauer im Jahre 1872.

Einen seiner ersten Aufbauten für motorisierte Fahrzeuge lieferte er 1900 an August Horch, der ebenfalls in Köln-Ehrenfeld seine Autobauerkarriere begann. Ansonsten wurden in jenen Anfangsjahren Pferdekutschen, Handkarren und Wagenräder gefertigt.
Um die Jahrhundertwende begannen die Kommunen mit der Organisation von Straßenreinigung und Müllabfuhr. Peter Bauer, nach eigener Einschätzung damals die ,,größte und leistungsfähigste Wagenfabrik Rheinlands und Westfalens" lieferte ,,moderne Fahrzeuge für königliche, städtische und Ortsbehörden" in ganz Europa, und natürlich auch an die der Heimatstadt Köln. Die Stadt Köln richtete 1890 einen Fuhrpark ein, der mit Sprengwagen, Kehrmaschinen und Müllkarren dem Dreck zuleibe rückte. Peter Bauer lieferte die dafür notwendigen Gerätschaften: Ab 1912 wurden einachsige 150-Liter-Faßwagen gebaut, die von kräftigen Männern gezogen wurden. Nach Gießkannenmanier wurden damit die Bürgersteige gesprengt. Köln beschaffte zudem Elektrokarren von Muchow (12 PS) und Lastwagen von Krupp (50 PS), die von Bauer mit Tank- und Sprengaufbauten (1.000 bzw. 4.000 Liter) versehen wurden

Auch die Müllabfuhr der Stadt Köln besorgte sich ihre automobile. Erstausstattung bei Bauer. Zwischen 1926 und 1929 erhielt die städtische "Abfuhranstalt" für ihr gerade aus der Taufe gehobenes Wechseltonnensystem 60 Elektrokarren und 42 Großraum-Müllwagen. ,,Der Initiative der Firma Peter Bauer ist die ausgeglichene architektonische Gestaltung der Wagen zu verdanken," lobte der Fuhrparkdirektor. Indes, das Wechseltonnensystem war teuer, und 1935 kehrte die Stadt Köln zum konventionellen Umleerverfahren zurück.
Müllfahrzeuge waren lange ein wichtiges Bauer-Standbein. Man begann mit pferdegezogenen Müllwagen, es folgten motorisierte Fahrzeuge mit verschiedenen Staumethoden. Es gab Fahrzeuge mit Förderschnecken im Innern des Müllbehälters und solche mit einer Preßvorrichtung. Andere hatten eine Rolltrommel, die nach der Füllung der Einschüttasche einfach nach vorne gekippt wurde. Und es gab den Trommelmüllwagen mit mehreren seitlichen Einschüttöffnungen, dessen Behälter um die Längsachse drehbar war. ,,Die vollständige Füllung der Trommel erfolgt nach den Gesetzen von Schwerkraft, Böschungswinkel und Wandadhäsion,' erklärte ein zeitgenössisches Fachbuch. Dieser Trommelwagen war von Bauer ersonnen worden, während andere auf Basis von Lizenzen (u.a. Faun und J. Ochsner & Cie.) fabriziert wurden.
Großstädte führten in den Zwanzigern motorgetriebene Müllwagen ein, kleine und mittlere Kommunen hingegen setzten noch bis zum Zweiten Weltkrieg auf den Pferdezug. Denen lieferte Bauer in großer Zahl (nichtdrehbare) Trommelmüllwagen mit 2,5 bis 5 m3 Inhalt. Peter Bauer versicherte in seinem Prospekt: ,,Sie stellen die für klein-kommunale Verhältnisse am besten geeignetesten Müllwagen dar unter Berücksichtigung aller modernen Errungenschaften auf diesem Gebiet, wie meine Fahrzeugfabrik auch die erste und einzige ist, welche die im großstädtischen automobilen Müllabfuhrwesen praktisch bewährten Erfindungen auch für Pferdefahrzeuge nutzbar gemacht hat." Müllkutscher aus ganz Europa orderten die Bauer-Trommeln.

1924 beispielsweise die Stadt Flensburg: ,,Ein Müllabfuhrwagen für 4 cbm System Colonia franco Bhf Flensburg, ein & zweispännig mit Rollenlagerachsen, GM 2800,- Bes. Wünsche: 1. Hauben dürfen nicht klappern, 2. Rückwand dichten, 3. Bes. Starke Bremse. Wagengewicht 2150 kg."
Kommunalfahrzeuge waren eine Spezialität Peter Bauers, die Grundlage des Geschäfts bildeten jedoch Anhänger und Lkw-Aufbauten. Das Bestellbuch der Jahre 1922 bis 1925 macht die Arbeitsanteile deutlich. Geordert und abgeliefert wurden

Hinzu kamen 440 Räder sowie Dutzende von Spindelwinden, Achsen, Federn, Radnaben und ähnlichem. Der Karosseriebau war zunächst reine Zimmermannsarbeit, bis Anfang der zwanziger Jahre die Blechbeplankungen eingeführt wurden. Beispiele aus dem Bauer-Bestellbuch: Anfang 1924 stellte die Fahrzeugfabrik Peter Bauer ihren ersten Omnibus her. Das auf einem Büssing-Fahrgestell aufgebaute und edel mit Mahagoni ausgekleidete Gefährt ging an die im Westen Kölns gelegene Gemeinde Brauweiler. Kostenpunkt: 6.000 Mark. In den folgenden fünf Dekaden verließen rund 2.200 Busse das Ehrenfelder Werk. ,,Das Reisen wird eine Lust, Hunderttausende werden sich für billiges Geld die Freuden einer Automobilreise verschaffen können," prognostizierte Ende der zwanziger Jahre der Chassis-Lieferant Hansa-Lloyd. Genau so kam es. Die Werktätigen gelangten per Autobus an ihre Arbeitsstätte, die Ausflügler ins nahe Grün, die Globetrotter in die Berge und ans Meer. Ende der zwanziger Jahre waren die Busse technisch auf einem Stand, der Komfort bei gleich zeitig akzeptabler Wirtschaftlichkeit bot.

Zuverlässige Dieselmotoren und sichere Druckluftbremsen auf der einen, weiche Ballonreifen und angenehme Federungssysteme auf der anderen Seite gaben die großen Hersteller ihren Fahrgestellen mit auf den Weg. Karosseriemanufakturen wie Bauer fügten dann jene Portion Eleganz und Prestige hinzu, die der Bustouristik zu ihrer hohen Beliebtheit verhalf.
Die Busse von Peter Bauer spiegelten den Reisestil jener Zeit wider: Die Karosserieformen waren geschwungen, vorn mit teilweise gigantischen Kühlerhauben und hinten mit abenteuerlichen Überhängen, garniert mit viel Chrom und mehreren Farben. Panoramafenster im Dachrand und Rolldächer ließen Licht und Luft hinein, lederne Sessel und samtene Gardinen sorgten für ein behagliches Ambiente. Neben Reisebussen stellte Bauer Linienbusse für viele Verkehrsbetriebe in Deutschland her. So waren die Bahnen der Stadt Köln seit Mitte der dreißiger Jahre Bauer-Stammkunde. Sie übernahmen 1933 die Dienste (und 39 Busse) der liquidierten Kölner Straßen-Omnibus-Gesellschaft, die den innerstädtischen Busverkehr acht Jahre zuvor begründet hatte.

Die ersten Neubeschaffungen tätigten die Bahnen der Stadt Köln bei Bauer:
1935 zwei Ford-Kleinbusse für den Einmannbetrieb auf verkehrsschwachen Strecken und für den Gelegenheitsverkehr, 1936 bis 1938 sechzehn Büssing-Dreiachser und 1938 bis 1940 zwölf Büssing-Trambusse (500T). Letztere boten durch den Wegfall der mächtigen Kühlerhaube ein Viertel mehr Nutzfläche; sie konnten bei gleicher Fahrgastzahl zwei Meter kürzer gebaut werden, verfügten aber dennoch ,über 29 Sitz- und 30 Stehplätze. Zu besonderem Schick verhalfen den Bauer-Linienbussen die abgedeckten hinteren Radkästen, ein jüngst von Neoplan wiederentdecktes Stilelement.
Durch einen Anhänger konnte die Kapazität der Busse fast verdoppelt werden. In Köln wurden Beiwagen ab 1932 beschafft - selbstverständlich bei Peter Bauer. Die Anhänger ,Bauart Köln' waren bereits selbsttragend und kamen ohne besonderes Laufgestell aus. Die Rahmen und das Kastengerippe waren geschweißt, die Verkleidungsbleche aufgenietet. Der leer 5,4 Tonnen wiegende Hänger hatte Achsschenkellenkung und Druckluftbremse Bei Beginn des Zweiten Weltkriegs besaßen die Bahnen der Stadt Köln 51 Busse und 14 Anhänger.
Im Jahre 1935 beschäftigte Peter Baue 200 Mitarbeiter, bei Ausbruch de Zweiten Weltkrieges waren es doppel so viele. Davon arbeiteten rund 200 in Lkw- und Anhängerbereich und 150 im Omnibusbau, der Rest produktübergreifend als Schreiner für den Zuschnitt, als Maschinenschreiner, Anreißer, Stellmacher oder Spengler.
Was immer sie auf die Räder stellten rollte anschließend hinaus auf die Lukasstraße und wurde vor dem Bahndamm abgelichtet. Dieser lag direkt gegenüber des Fabriktors in der Köln-Ehrenfelder Lukasstraße. Besonders prachtvolle Stücke baute der Fotograf auch vor grandioseren Kulissen auf. Davor gab es reichlich in Köln...

Nach dem Ende des Nazi-Terrors fing man auch bei Peter Bauer in Köln-Ehrenfeld beinahe wieder bei Null an. Lediglich den Bahndamm in der Lukasstraße hatte man als Fotohintergrund für die Neufahrzeuge aus der Vorkriegszeit übernehmen können. Vergleichsweise schnell kam Bauer wieder auf die Beine. Von Vorteil waren dabei die guten Beziehungen der Familie sowie zwei geräumige Kellergeschosse eines ehemaligen Brauereigebäudes, das zwischenzeitlich in die Fahrzeugfabrik integriert worden war. Dort waren große Warenbestände rechtzeitig eingelagert worden und hatten so Zerstörungen und Plünderungen überdauern können. Mit zwölf Mann begann die Produktion von Ackerkarren, die auf dem Schwarzmarkt gegen Gemüse und Fleisch getauscht wurden.
,,Jeden Tag wieder ein Bauer-Omnibus", konnte bereits 1949 die Werbung vermelden. ,,Nach Beseitigung größter Kriegsschäden wieder leistungsfähig im Fahrzeug- und Karosseriebau. Großserienfabrikation von Omnibussen, Anhängern und Aufbauten wieder in vollem Gange." Am Wirtschaftswunder partizipierte Bauer tüchtig, schließlich mußten die reichlich nachgefragten Waren zu den Konsumenten transportiert werden. Auslieferungswagen gingen an große Lebensmittelketten, Kofferfahrzeuge an Möbelhäuser und Umzugsspeditionen, Paket-Transporter an die Bundespost. Zu den Einzelhandelsuntemehmen, die beinahe ihre kompletten Flotten bei Bauer maßschneidern ließen, gehörten die Kölner Traditionsbetriebe Cornelius Stüssgen (gegründet 1897) und Kaiser's Kaffee-Geschäft (1880) sowie der Selbstbedienungspionier Herbert Eklöh (1957 erster SB-Markt in Köln). Rund 800 Leute arbeiteten 1955 bei Bauer. Sie stellten in großer Menge herkömmliche Pritschen-, Kipper- und Kofferaufbauten, aber auch bemerkenswerte Spezialfahrzeuge her. Dickwandige Sprengstofftransporter zum Beispiel, die Explosivstoffe zu Kohlezechen lieferten, oder Tankwagen aus tieffemperaturbeständigem Stahl, mit denen verflüssigte Gase von Sauerstoffwerken zu den Anwendern gebracht wurden.
Anspruchsvolle Fahrzeugkonstruktionen schuf Bauer auch für Gesundheitsorganisationen und Kreditinstitute. Sattelauflieger mit einer umfangreichen Thorax-Röntgenausrüstung wurden in den fünfziger und sechziger Jahren gebaut. Sie tauchten dann im Zwei- oder Dreijahres Rhythmus vor Schulen, Behördensitzen, Gefängnissen und Lebensmittelmärkten im Rahmen der Tuberkulose-Früherkennung auf.
Eine einmalige Fahrzeuggattung stellte Bauer zwischen 1955 und 1960 in genau 53 Exemplaren her: Wagenprüfstände für B.V. Aral. Das waren zweiachsige Anhänger mit einer ausklappbaren Rampe und einer elegant gestylten Technikerkabine. Die Geschichte dieser fahrbaren Prüfstände reichte bis zur 'Erfindung' des Super-Sprits zurück:

1924 hatte der Benzol-Verband (B.V.) ein Benzol-Benzin-Gemisch gebraut, das eine leichtere Vergasbarkeit eine größere Ergiebigkeit und eine höhere Klopffestigkeit brachte. Dieser ,Aral' genannte Treibstoff (weil Benzol zu der chemischen Gruppe der Aromaten und Benzin zu jener der Aliphaten gehören) konnte die Autos aber nur dann spritziger und sparsamer machen, wenn deren Motoren auf die hochoktanige Nahrung einreguliert wurden. Ebendies wurde auf den B.V.-Prüfständen getan. 51 dieser Prüfstände entstanden zwischen 1932 und 1939 bei Bauer.
Rund 150.000 Motoren wurden pro Jahr eingestellt, wobei der Kraftfahrer die Wahl zwischen optimaler Leistung und geringstem Verbrauch hatte. Dieser Service war kostenlos. Das B.V.-Super war allerdings vier Pfennig teuer als die Normalware, außerdem liefen die auf Aral optimierten Motoren mit anderen Kraftstoffen kaum noch ordentlich. Eine sehr effiziente Form der Kundenbindung... Alles super? Nicht lange, denn schon Anfang der Sechziger gab B.V.-Aral die Prüfstände auf.
Seiner Traditionssparte Müllabfuhr schenkte Bauer nach dem Krieg nur noch wenig Aufmerksamkeit. Zwar entstanden bis Mitte der sechziger Jahre noch Müllsammelfahrzeuge, doch die waren technisch wenig anspruchsvoll. Sie wurden vor allem in Länder der Dritten Welt exportiert. Einige kleinere Gemeinden fragten weiterhin Trommelmüllwagen nach, einem Bauer-Klassiker aus den zwanziger Jahren. Er war seinerzeit für den Pferdezug konzipiert worden, doch statt der Vierbeiner ließen sich auch Traktoren oder Unimogs vorspannen. Das letzte Exemplar (für Pferdezug) ging 1979 (!) an die Müllabfuhr der autofreien Nordseeinsel Juist.

Der Omnibusbau erlebte nur eine kurze Blüte, die Großserienfertigung endete im Jahre 1956. Bis dahin waren besonders Linienbusse karossiert worden, so für die Autobusbetriebe von Bonn, Aachen, Düsseldorf, Koblenz und Moers.
Und natürlich für die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB), deren Neuanschaffungen bis 1955 ausschließlich von Peter Bauer stammten: 18 Büssing 5000 TU, 31 Büssing 6000 17 vier Büssing 6500 17 sechs Büssing TU 11 sowie 33 Anhänger. Desweiteren beauftragten sie Bauer mit der Neukarossierung von sieben Altfahrzeugen aus den dreißiger und vierziger Jahren.
,,Der Omnibuszug der Fahrzeugfabrik Peter Bauer stellt [...] in seiner äußeren Form eine wertvolle Bereicherung des Wagenparks dar," urteilte eine Fachzeitschrift 1955.,, Auch in konstruktiver und betrieblicher Hinsicht hat er alle an ihn gestellten Erwartungen erfüllt. Die Fahrgäste sind mit dem neuen Omnibuszug außerordentlich zufrieden." Die Karosserie des zehn Meter langen und fast neun Tonnen schweren Büssing-Trambusses war eine elektrisch geschweißte Leichtbaukonstruktion aus Spezialstahlprofilen mit äußerer Beblechung. Viel glänzender Chrom in der Kühlerattrappe und den seitlichen Zierleisten sowie kuppelförmig gerundete Scheinwerfer und Nebellampen prägten das äußere Bild, gut gepolsterte Sitze (25 plus 48 Stehplätze), zu öffnende Fenster (Kurbelfenster und schiebbare Oberlichter) das Innere. Der Anhänger war achteinhalb Meter lang und bot achtzig Passagieren Platz (20 Sitz-, 60 Stehplätze). Die ab 1955/56 folgenden großen Serien bestellten die KVB nicht mehr bei Bauer, sondern bei DÜWAC, Büssing und Magirus-Deutz. Der Einsatz von Omnibusanhängern wurde 1956 verboten, woraufhin sich Bauer an der Alternative Gelenkbus versuchte. Ein Prototyp ging 1958 an die KVB, die ihn fünf Jahre einsetzte. Auf ein Büssing-Fahrgestell des Typs TU10 hatte man einen luftgefederten, 16,5 Meter langen und 12,2 Tonnen schweren Gelenkzug mit 48 Sitz- und 80 Stehplätzen aufgebaut. Dank der Leichtbauweise war der Bauer-Gelenkbus fast eine Tonne leichter als ein Konkurrenzmodell von Schenk-Vetter, welches die KVB ebenfalls zu Testzwecken beschafft hatte. Letztendlich entschieden sich die Verantwortlichen aber für ,Aero-Anderthalbdecker, die ab 1960 bei Ludewig gekauft wurden.

Zwischen 1950 und 1959 gab es in Köln auch eine O-Buslinie (Nr.36 Rudolfplatz - Hohenlind), für die Peter Bauer vier Triebwagen und drei Anhänger lieferte. Weitere Trolleybusse fabrizierte Bauer 1960 für Koblenz.
In den Jahren 1948 bis 1956 karossierte Bauer im Auftrag der Ford-Werke viele der auf dem Typ Rhein basierenden Frontlenker-Busse. Die auf einem Langrahmen aufgebauten Fahrzeuge hatten zumeist 33 Sitzplätze. Den Antrieb besorgte ein V8-Vergasermotor mit 95 PS. Der endgültig letzte Omnibus aus Bauer-Produktion ging 1965 an die Stadtwerke Ennepetal.

Schon Mitte der fünfziger Jahre hatte Peter Bauer auf dem militärischen Sektor einen neuen Absatzmarkt entdeckt. Den Anfang machte die belgische Armee, die sich ab 1954 Werkstatt-, Film-und Flugbeobachtungswagen auf der Basis des Ford AlIrad-Frontlenkers G798B bauen ließen. Von der US-Army kamen Folgeaufträge, darunter auch eine Serie von Ford FK4000-Tankwagen für den Einsatz in Deutschland. Ab 1956 trat schließlich die im Aufbau befindliche Bundeswehr als Kunde in Erscheinung. Sie vergab die Entwicklung und Teile der Bauaufträge für die Drei- und Frinftonnen-Einheitskoffer an Peter Bauer.
Insgesamt fertigte Bauer 2582 Kofferaufbauten für den Dreitonner Ford G398SAM-S3, die als Stabs-, Werkstatt-, Funk-, Küchen- und Krankenwagen eingerichtet wurden. Der Ford, besser bekannt als 'Nato-Ziege', war in der Truppe alles andere als beliebt, weil er aufgrund seines hoben Schwerpunktes in Kurven zum Umkippen neigte.
Wesentlich besser bewährte sich der Fünftonnen-Koffer von MAN, der gut vierzig Jahre in der Truppe blieb. 21.000 Exemplare des MAN 630 L2 wurden zwischen 1958 und 1972 gebaut, davon 7.656 mit den von Bauer entworfenen Kofferaufbauten. Neben Peter Bauer fertigten auch Blumhardt in Wuppertal, Glas in Dingolfing und Zeppelin in Friedrichshafen diese Aufbauten. Rund zwanzig Rüstsätze für die unterschiedlichsten Verwendungszwecke konnten wahlweise in die Koffer eingebaut werden.
Neben solchen Spezialfahrzeugen rüstete Bauer auch handelsübliche Daimler-Benz-Lastwagen für die Bundeswehr auf, machte aus ihnen rollende Küchen, Befehlstände, Funkstationen, Klassenräume oder Sanitätsstationen. Ebenso entstanden auf der Basis des Unimog eine Fülle von Spezialversionen.

Banken und Sparkassen gaben bei Bauer mobile Filialen in Auftrag, um auch die Kundschaft in abgelegenen Wohngebieten versorgen zu können. Die Sparkasse der Stadt Köln setzte zwischen 1959 und 1976 insgesamt drei von Bauer karossierte Fahr-Filialen ein, zwei Mercedes und einen Büssing. Zwei- bis wöchentlich parkten die Sparkassen auf Rädern für ein- bis zweieinhalb Stunden an einer der insgesamt 17 Haltestellen und boten dort die Erledigung sämtlicher Bankgeschäfte an. Auch die Kreissparkasse Köln ließ sich 1960 bei Peter Bauer zwei Mobilbanken herstellen. Als Basis griff man hier auf Magirus-Deutz Chassis des Typs O3500H zurück Der Einzelpreis dieses Fahrzeugs lag bei gewaltigen 91.500 DM, wobei allein die benötigten Stahlschränke und die UKW-Fernsprechanlage mit knapp 10.000 DM zu Buche schlugen - der Rubel mußte rollen, koste es; was es wolle!
Kaum erwartet - und deshalb auch nur beiläufig wahrgenommen - wurden Bauers Ausflüge in den Pkw Bereich. 1935 war ein Adler Trumpf Junior mit einem versenkbaren Stahldach präsentiert worden! 1961 folgte ein Ford 17m mit einer ebensolchen Coupé-Cabrio-Wandelbarkeit. Das 'Sportolet' genannte Einzelstück hatte ein Stahldach, das sich samt Seitenfenster und Heckscheibe nach hinten wegklappen ließ. Ein anderes Ford-Produkt hingegen wurde bei Peter Bauer in größeren Stückzahlen am Fließband produziert, der Transit Hochkoffer von1965. Dafür wurde im westlich von Köln gelegenen Kerpen-Sindorf ein völlig neues Werk erbaut. "Während im alteingesessenen Werk mit handwerklichem Können die Einzelfertigung dominiert und individuelle Sonderwünsche erfüllt werden bietet das Werk Sindorf alle Voraussetzungen für die rationelle Serienfertigung" erklärte Bauer Die unförmige Transit-Variante erfüllte allerdings die Erwartungen nicht und flog 1968, nach rund tausend gebauten Exemplaren aus dem Ford-Programm. Fortan wurden in Sindorf Pritschen für Daimler-Benz hergestellt.

Die Kapazität des Sindorfer Werkes (30 Fahrzeuge pro Tag) war deutlich zu groß für die Fahrzeugfabrik Bauer. Für deren Bedürfnisse genügte die alte und verwinkelte, jedoch modern ausgestattete Hinterhoffabrik in Ehrenfeld. Denn die Wachstumszeit war vorbei, das Geschäft verlief rückläufig, die Belegschaft schrumpfte stetig. Waren es 1982 noch 382 Angestellte; so sank deren Zahl bis 1985 auf nur noch 268 Mann. 1984 wurde das Werk Sindorf an Ackermann Fruehauf vermietet. Mit dem 1850 in Wuppertal-Vohwinkel gegründeten Unternehmen bestanden seit Jahrzehnten gute Beziehungen. Bauer übernahm für Ackermann eine Reihe von Aufträgen, lieferte Kastenwagen und Omnibusse nach Vohwinkel. Umgekehrt vergab auch Bauer Aufträge an Ackernann: in den siebziger Jahren fertigte beispielsweise das Ackermann-Zweigwerk Hamburg (die ehemalige Vidal/Tempo-Fabrik) 400 von Bauer konstruierte Duschwagen für die Hadsch-Pilger von Mekka.

Im Produktionsprogramm von Peter Bauer waren Pritschen-, Kipper-, Koffer- und Tankaufbauten, außerdem Tieflader, Wechsselsysteme, Shelter und andere Spezialaufbauten. Hohe Nutzlast bei geringem Eigengewicht versprach der "Laster-Bauer" der heimischen Kundschaft, während er für die Überseemärkte Robustheit und Strapazierfähigkeit in den Vordergrund stellte. Fahrzeuge mit verstärkten Federungen und Stahl statt Aluminium-Bordwänden oder -Kippermulden gingen vor allem in den arabischen, nord- und westafrikanischen Raum.
Der Exportanteil bei Peter Bauer lag in den letzten Jahren bei über fünfzig Prozent.
Im Inland war Bauer besonders am Niederrhein im Ruhrgebiet im Bergischen Land und in der Eifel präsent. In der Kölner Bucht lieferte man sich einen harten Konkurrenzkampf mit der Fahrzeugfabrik Hall aus Köln-Riehl, die übrigens in den Händen eines anderen Zweigs der Bauer-Familie lag. Emil Bauer wollte in den dreißiger Jahren unabhängig in der gleichen Branche arbeiten konnte das aber unter dem eigenen Familiennamen nicht realisieren. Deshalb kaufte er sich in die 1829 gegründete Wagenfabrik von Hermann Peter Hall ein. Sie wurde bis zur Schließung vor drei Jahren von Bauer-Sprößlingen geleitet.

Die Talfahrt in den achtziger Jahren schien unaufhaltsam, der Bauer-Umsatz sackte zwischen 1982 und 1985 von 125 Mio. DM auf 53 Mio. DM. Im Jahre 1986 halbierte er sich durch die Flaute auf dem Nutzfahrzeugmarkt, die Konkurrenz der Massenhersteller und das Ausbleiben angestammter Auslandskunden erneut. Als dann noch ein Auftrag über 2000 Pritschenaufbauten für Lybien platzte, stand das Unternehmen ohne flüssige Mittel da und mußte Konkurs anmelden. Das Personal wurde weiter verringert (auf 115 Köpfe), das Produktionsprogramm auf Pritschen, Kipper und Shelter zusammengestrichen. Im Sommer 1990 übernahm die Zeppelin Systemtechnik aus Offenburg den angeschlagenen Betrieb. Die Firmierung 'Peter Bauer Fahrzeugbau' blieb, die Produkte wurden aber fortan unter dem 'Zeppelin'-Signet vertrieben. Zeppelin wollte mit der Bauer-Aquisition ihre Basis für ,mobile Systemlösungen ab Fahrzeug-Oberkante' (Werbung) verbreitern. Man baute in Friedrichshafen in großem Umfang Shelter für die Bundeswehr und für Unternehmen der Nachrichtentechnik und wollte diese Angebotspalette um die Shelter-Spezialitäten aus Köln (z.B. Arztpraxen, Lazarette, Küchen oder Konferenzräume), sowie um die Bauer-Konstruktion einer verwindungsfreien Pritsche erweitern.
Die Inszenierungen des neuen auswärtigen Regisseurs brachten der Bühne Lukasstraße allerdings keinen neuen Schwung. Zwar rollten einige interessante Modelle über den Laufsteg, doch das Ensemble verkleinerte sich weiter.
Ganze 76 Mitarbeiter beschäftigte die Fahrzeugfabrik Peter Bauer noch, als 1993 der endgültig letzte Vorhang in Ehrenfeld fiel. Die Fabrikanlagen wurden abgebrochen, der Betrieb in einen angemieteten Neubau nach Kerpen-Sindorf verlagert. Die Mitarbeiter aus Konstruktion und Produktion waren weiterhin mit Engagement und Einfallsreichtum dabei, jedoch verbesserte sich die Lage nicht. Das neue Objekt war teuer, die Verwaltung groß, die Entscheidungswege zwischen Zeppelin-Konzernzentrale und Bauer-Fertigungsstätte lang. Es gab vielversprechende Neuentwicklungen, doch die Marktchancen wurden vergeben. Das galt beispielsweise für den Ambulanzwagen Ratio RTW, der 1994 vorgestellt wurde. Ein Mercedes-Sprinter- oder Fiat-Ducato-Triebkopf mit Tiefbettrahmen und Luftfederung bildete die Grundlage, auf die ein geräumiger und funktioneller Shelteraufbau aus fugenlosen, isolierten Sandwichelementen gesetzt wurde. In größerer Zahl wurden noch Kipper für die lveco Euro-Cargo-Baureihe hergestellt.

Im September 1996 war endgültig Schluß, der Betrieb wurde aufgelöst. Die durch Patente geschützten Bauer-Entwicklungen wurden verkauft oder konzernintern verschoben: Verwindungsfreie Pritschen fertigt seitdem Kumlin in Waldkirch/ Breisgau, Shelter und Ambulanzen die Zeppelin-Abteilung Mobile Systeme in Friedrichshafen.

tm



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